Kienzl, Wilhelm: Postkarte an Lili Kienzl. Berlin, 18.12.1916
Meine liebe Lili! Berlin, 18. Dez. 1916.
In größter Hetze schreib' ich. Ich plage mich furchtbar. Es wird
aber glänzend gehen. Heute hielt ich selbst spielend, eine
Studierprobe am Klavier ab. Mittags speiste ich gestern bei
Hermann u. blieb dann, da Sonntag war, zur Jause, zu der mein
Neffe Prof. März (Enkel der Tante Sambori) mit Frau kam.
Ich spielte. Einiges von mir. Abends zu einem höchst frugalen
Abendessen bei Humperdinck in Wannsee (am Ende der Welt)
Er sieht frisch u. gut aus, ist aber noch stiller u. apathischer
als einst. Seine Schwägerin führt den Haushalt. Seine Kinder
sind ganz erwachsen. Der Sohn ist ein lieber Kerl. Ich mußte
den Inhalt vom ,Testament' erzählen, der allen riesig gefiel.
Nachts nach Hause 1 Stunde gefahren. Sehr hungrig angelangt.
Alle Restaurants geschlossen!!! Stückl Brot gegessen. Heute
Vmtgs. Probe, dann bei Direktor Erhardt (der den „Kuhreigen” in