Franzos, Ottilie: Brief an ... Pée. Wien, 25.1.1922
Liebe, verehrte Frau!
Sässen wir uns gegenüber, so fühlten Sie gewiss,
dass ich mir für mich keine pecuniären Sorgen mache,
trotzdem 20 Kilo Mehl meinen früheren Jahresbrauch
bedeuten. Sie merkten auch sicher, dass ich von Ur-
sprung mit einem dankbaren, frohen Naturell be-
gnadet worden bin. Wenn meine Briefe traurig
klingen, was mir gar nicht bewusst ist, so spie-
geln sich eben in ihnen die Wiener, beziehungs-
weise österreichischen Verhältnisse und die
schweren, unfrohen meiner Umgebung. Ich
habe aber viele gute, stille Stunden in meiner
sehr gemütlichen, bis jetzt auch immer warmen
Stube. Gestern ein paar ganz helle mit der
Bubenmama und einer anderen jungen Dame
- Enkelin L. A. Frankls - die leider fortheiratet.
Verehrte Frau, ich danke Ihnen tausendmal,
müsste mich aber grenzenlos schämen, nähme
ich Ihr Anerbieten an. Der "Pojaz" soll in
diesem Jahre dänisch erscheinen, wofür ich
beim Stand unserer Valuta! eine Summe
erhalte, die mich der Sorge enthebt. Ich habe
auch ausserdem noch etwas Vermögen. Ich
werde, Ihres Gatten Einverständniss vorausge-
setzt, ab und zu eine kleine Summe, wie
letzthin, für meine Zeit, Porto und manchmal
Besorgungsfahrten mit der Elektrischen
verrechnen. Alles Andere schreibe ich für
Bücherversorgungen und Arme gut, so