Hanak, Anton: Brief an Helene Koenig. Winkelsdorf, Landhaus Primavesi, 22.9.1918
Unausprechlich sind die Gefühle, unfassbar
ihre Entstehung. Wir wundern uns nur dass es
vorher so leicht war diesem oder jenem Mensch
schen zu begegnen ~ mit ihm beisammen z
zu sein, sich von ihm zu trennen, und dass es u
uns so beängstigend geworden. Die freudige A
Angst vor der Begegnung
~ die bangende W
Wonne im Beisammensein ~~ die zerreissen
den Gefühle vor der Trennung. Was es ist v
vermögen wir nicht auszusprechen, da wir d
den wahren Ausdruck nicht finden. Soll
der Andere die Herrschaft über uns gewonnen
haben,
~ haben wir uns selbst verloren ~?
dem zweiten ausgeliefert? Wir suchen Schutz
und flüchten zu Jenem der vielleicht unser
Todt ist ~ wir sterben durch ihn und sind voll
himmlischer Wonnen. Wir opfern unser eige
nes Werk
leben nur für das des Andern
wir zerstören uns selbst um dem zweiten die
Freiheit zu geben. Nichts vermag uns in die
alten Bahnen von gestern zu bringen
das
Heute ist der Zukunft ~~ der Ewig=
keit gleich. Wir sind nicht mehr da wir uns
so erhoben fühlen
wir wollen nur den
Anderen, den Mächtigen. Göttliche Gnad=
den dieser hingebungsvollen Aufopferung.
Liegt nicht in diesem Untergang die Er=
stehung ~ der Ursprung des Werkes? So
reichen wir uns die Hände zum Zeichen
der wonnenreichsten Hingabe ~ im Zeich
chen des erhebenden Glaubens an die frucht
bare Kraft des Andern.
AH~~
Winkelsdorf 22. September 1918
Landhaus Primavesi.