Hofmannsthal, Hugo von: Brief an Raoul Auernheimer. Rodaun bei Wien, 2.12.1919
Rodaun,am 2.XII.1919.
Lieber Herr Doktor,
Sie verzeihen,wenn ich ausnahmsweise Eile halber,Christiane diktiere,
um den mir vorschwebenden Anlass zu einem noch so leisen Missverständ-
niss aus dem Weg zu räumen.
Nach fast vierjähriger Pause besuchte ich unlängst Herrn Benedikt.
Aug in Aug ist er mir sonderbarerweise immer beinahe anziehend,als
ein so vollkommen in sich geschlossenes Exemplar seiner Gattung.Stets
gelingt es ihm,durch Häufung von unmöglichen Ansinnen,mir schliesslich
ganz gegen meinen Willen etwas abzunötigen.So diesmal die Veröffent-
lichung des ersten Aktes meines Lustspieles in der Weihnachtsnummer.
Dann lief er mir noch ins Vorzimmer nach,und sagte,er höre ich habe
eine Novelle publiziert,er wolle dieselbe in der Neuen freien Presse
im Feuilleton besprechen lassen und halte dafür eine seiner aus-
gezeichnetesten Kräfte,nämlich Fräulein Cloeter für besonders geeignet.
Sie werden verzeihen,wenn es mir in diesem Zusammenhang widerfuhr,
dass ich ziemlich scharf Ihren Namen nannte.Nun möchte ich um alles
nicht ,dass Sie annähmen,ich suchte Ihnen eine Sache zu der Sie viel-
leicht aus inneren Gründen keine Lust haben,auf diesem Weg aufzudrängen.
Ich weiss zu genau,dass zu jedem Aufsatz eine gewisse Lust gehört.
Wenn also die Sache von dort aus an Sie herankommt ,mit dem Beisatz
ich hätte diesen Wunsch geäussert,so bitte ich das nun im Sinne des
oben Dargelegten aufzufassen nämlich,dass sich dies eben im Laufe