Istel, Edgar: Brief an Wilhelm Kienzl. Berlin, 25.2.1914
DR. PHIL. EDGAR ISTEL
OFFICIER DER FRANZÖSISCHEN AKADEMIE
DER SCHÖNEN KÜNSTE
DOCENT DER MUSIKÄSTHETIK
AN DER BERLINER HUMBOLDT-AKADEMIE
TELEPHON: AMT PFALZBURG No. 686
BERLIN-WILMERSDORF, DEN 25. Febr. 1914.
SÜDWESTKORSO 19
Sehr verehrter Herr Doctor!
Meine Postkarte wird sich wohl in irgend eine Drucksache
verkrochen haben, so dass sie inzwischen auf die Wanderschaft
ging. Also an die 120 Zeilen sind Sie durchaus nicht gebunden;
es handelt sich nur um ein ungefähres Längenmass. Sie können
auch ein ausgewachsenes, aber nicht zu langes Feuilleton schrei=
ben wie Rich. Strauss in der letzten Sonntagsnummer der Vossi=
schen über "Städtebundtheater". Vielleicht ist Jhnen unbekannt, dass seit 1. Januar der
Verlag gewechselt hat (Ullstein!) und jetzt auch in der Redaktion neues
Leben nach langem Schlaf eingezogen ist. Auch im Punkte Hono=
rar wird man einem Manne Jhres Namens gegenüber nicht knauserig
sein. Die Hauptsache ist: schlagen Sie ein gutes Thema vor (viel=
leicht irgendwas mit der Oper zusammenhängendes, allgemein interes=
sierendes, nicht subjektives) und sagen Sie , wieviel Sie dafür
haben wollen. Ablieferungstermin ganz nach Jhrem Belieben. Jch
habe nochmals gestern mit dem Chefredakteur Wallenberg darüber
gesprochen und er bittet Sie, ihm Jhren Vorschlag zu übersenden.
Adr: Red. der Vossischen Ztg, zu Händen des Herrn Wallenberg, Berlin C2-
Breitestr. Es soll eine Feuilletonserie namhafter Musiker
durchgeführt werden , wobei Jhre Mitwirkung auch für Sie recht
vorteilhaft wäre , nicht nur für die Zeitung, die möglichst
viele klangvolle Namen haben will.
Nächstens erhalten Sie eine neue Publikation von mir , die
bei Schuster & Löffler erscheint: Das Libretto. Wesen, Aufbau
und Wirkung des Opernbuchs. (nebst einer dramaturgischen
Analyse von Figaros Hochzeit). . Was machen Sie denn Neues?
Heiter oder Ernst? Mein " Tribunal" hängt immer noch an der
verfluchten Wiener Hofoper fest. Eben arbeite ich eine komische
Oper um, deren Skizze ich vor einigen Jahren schrieb und die
mir musikalisch nicht mehr genügt.
Mit besten Grüssen Jhr ergebener
E. Istel