Grillparzer, Franz: Brief an die Mutter. Kralitz, 26.9.1813
5. J Ich konnte aus der kurzen Unterredung nicht auf ihren Charakter schließen, doch wird sie sowohl, als ihr Mann einstimmig von allen Menschen gelobt, und jederman preist den Kamille glücklich einen so vortreflichen Posten erhalten zu haben, den ihm die schönsten Aussichten für die Zukunft eröffent. Er bat mich um 10 Gulden, die ich ihm gab, obwohl ich beinahe glaube daß er sie nicht braucht, dann er war bei weitem nicht dringend genug. den zweiten Tag schickt ihr sein Oberamtmann wieder nach Alttitschein, und endlich kehrte ich er zurück mit einer Menge guter Lehren, die ich ihm gab und die er wohl nur in Rücksicht der 10 Fl. annahm und sie wohl bald wieder vergeßen wird, denn er hat sich Gott sei Dank, nicht ein Haar geändert. Sollte er Ihnen übrigens um Geld schreiben so schicken Sie ihm doch ja nichts, denn nach allem was man mir sagte steht er sich dort sehr gut, denn er hat 80 f. Besoldung, Wohnung, Licht, 20 Klafter Holz worin er 10 klaft verkaufen kann, und beträchtliche Akzidungen, die Scharteln ungerechnet die er sich leicht machen könnte. wenn er Lust und Geschicklichkeit hätte, überdieß sind dort alle Bedürfniße sehr wohlfeil. Ich wollte ich wäre eben so gesichert wie er, aber leider scheint das nicht. Wie werden wahrscheinlich bis zum neuer Jahre in Mähren bleiben, und dadurch verliere ich meine Korrepition bei Kirchmeier, und villeicht auch meine Stelle in der Bibliothek, denn die Verlängerung des Verlaubs um die ich geschrieben dürfte mir leicht abgeschlagen werden! Leben Sie recht wohl liebe, Mutter und schreiben Sie ein bald. den Adoly und Koll küßte ich. Mir geht es recht wohl. 45 fonner Sohne f S Grillparzer J