Auernheimer, Raoul: Brief an Jenny Auernheimer. Wien, 1.6.1924
Die zwei Tage Einsamkeit in der so
schön gestuften österreichischen Natur
haben mir gut getan u. ich beabsich=
tige, mich ehestens nach dem Muster
des Raimundschen Menschenfeindes
wieder aus dem Großstadtgewühl ins
"stille Haus" zu flüchten. – Übrigens
ist es heute auch um mich herum
recht still. Ich war vormittags mit
Schnitzler im Wiener Wald spazie=
ren, habe dann, da Irene von der
Pension Schönbr. nicht lassen kann,
allein zu Mittag gegessen u.
verbringe nun die Zeit bis zum
Abendessen mit Lesen u. Briefe=
schreiben.
Beiliegenden Konto=Auszug wirst
Du gut tun, Deinen Dokumenten=
fascikeln einzuverleiben, indem
Du den vorangegangenen vernich=
test. Es genügt, wenn Du jeweils
nur den letzten Auszug aufbewahrst;
alle früheren sind überflüssig.
Ich hoffe, bald von Deiner fort=
schreitenden Erholung zu hören u.
bin, mit Grüßen Irenes,
innigst dein Raoul