Sozialdemokratische
Kunststelle
Wien V, Sonnenhofgasse 6
Wien, 5. November 1925
Werter Genosse!
Auf Ihr Schreiben vom 4.d.M. erlaube ich mir folgendes
zu erwidern:
Erstens weiss ich nicht, woher Sie heute schon Kenntnis
von der Republikfeier der Kunststelle haben, da bis heute weder eine
mündliche noch schriftliche Verlautbarung erfolgt ist. Ich will
mich aber nicht auf diesen Einwand zurückziehen, sondern Ihnen
Zweitens sagen, dass meine persönliche Stellung zu Karl Kraus
ganz unverändert geblieben ist und das niemand das Recht hat, mir ent-
weder eine Inkonsequenz vorzuwerfen oder umgekehrt zu glauben, dass
etwa persönliche Motive die Haltung der Kunststelle beeinflussen könn-
ten. Es hat aber Herr Kraus in der Nummer der Fackel vom Juni d.J.
ausdrücklich erklärt, dass er für die Kunststelle nicht mehr lesen
wolle, da er mit der Kunstpolitik der Kunststelle nicht einverstanden
sei. Wir haben das sehr bedauert, aber wir könnenKarl Kraus unmög-
lich zwingen, eine Vorlesung abzuhalten. Nichtsdestoweniger werden
wir noch einen Versuch unternehmen.
Mit bestem Parteigruss
f.d. Sozialdemokratische
Kunststelle
Wien,V. Sonnenhofgasse 6
Der Leiter:
Dr. Bach