Baron, Erich: Brief an Andreas Thom. o.O., 3.1.1914
ERICH BARON ◦ VERLAG VERLAG DER NEUEN BLÄTTER
BERLIN W.15 - PFALZBURGER STR. 82 - FERNSPRECHER: PFALZBURG 1093
3. Januar 1914
Mein lieber und werter Herr Thom, zunächst
liebe und gute Wünsche zum Beginn des neuen Jahres
dann die Bitte um Entschuldigung für mein langes
Schweigen. Da ich das Manuskript von Lindeleid II
noch nicht habe, nehme ich an, Sie sind noch in
Lilienfeld, will aber hoffen, Ihr Uebel ist bereits
behoben, doch die Erholung wir Ihnen gut tun.
Dass Sie neue Schaffenslust haben, Neues beginnen
mit den liebsten Mitarbeitern - erlebenden, in-
nerlich ergriffnen Kindern - ist Zeichen starker
Kraft. Ich kann Sie mir vorstellen, als Freund
der Kinder, die genau spüren, wie wohl Ihr Wesen
auf ihre Entwicklung wirkt, und ich wünschte, so
einen Mann als Lehrer in meiner schrecklichsten
Zeit gehabt zu haben. Dieser Eindruck ergiebt sich
nicht erst jetzt - ich hatte ihn in dem Augen-
blick, als ich Ihren Beruf erfuhr. Er ist mit Ih-
rem Buch so eng verknüpft, dass ein kleines fünf-
jähriges Mädchen in einem Kindergarten, das ein
Stück aus Lindeleid gehört hatte, nachdenklich