Berg, Alban: Brief an Gottfried Kassowitz. Wien, 25.12.1915
7 BERG, ALBAN (1885-1935)
Eigh. Brief m. U. [Wien] 25.12.1915. 8S. gr-8° (in Blei) sowie eigh. Umschlag
(Tinte). 5.500.-
Reichlich verzweifelter Brief an Gottfried Kassowitz über den tristen
Wachdienst, den er in der Hütteldorfer Kaserne abzuleisten hatte. Der
Brief ist für die Lebensumstände von Berg wichtig genug, um zwei
Abdrucke zu erfahren. Zunächst im "Wiener Tag" vom 25. 12. 1936, dann
auch im Buch von Rosemary Hilmar (Wien 1978) auf den SS. 121/123
ziemlich vollständig. Hier kurze Auszüge: "... Noch dazu ist der Wach-
dienst derart, daß sich meine Gesundheit wieder verschlechtert hat und
sich immer mehr verschlechtern muß. Ärztlich zu meinem Recht zu
kommen, ist auch ausgeschlossen, da Plattfüße, Brüche etc. eher Berück-
sichtigung finden als innere Leiden. Und mein Leiden ist aber derart, daß
man immer noch (wenn auch mit Müh und Noth) Dienst tun kann bis
man eben zusammenbricht (wie's ja in Bruck der Fall war!). Bei einer
Marodenvisite (zu der man erst nach stundenlangem Warten in eiskalten
Gängen zugelassen wird) unlängst, erkannte mich der Chefarzt (ein
Zahnarzt) ganz einfach für dienstbar und drohte noch, daß man alle
diese Wachdienstler ganz einfach noch einmal vor die Superarbitrie-
rungskommission stellen wird und sie dann auch für feldtauglich erklären
wird! ... Um 1 Uhr muß ich also von der Holzpritsche aufstehn und wieder
den irrsinnigen Dienst versehn ununterbrochen bis zum Mittag. Wie ich
mich dabei fühle, wie ich mit dem Schlaf kämpfen muß, Unmengen von
schwarzen Café trinken muß, um nicht sitzend einzuschlafen, können Sie
sich vorstellen! ... Es ist nun auch gar nicht ausgeschlossen, daß wir
Wachdienstler von hier abkommandiert werden und diesen schönen
Dienst etwa in Serbien fortsetzen oder in Brest-Litowsk. Das kann unter
Umständen in 2, 3 Wochen sein, oder erst später. Da ich also dann über
kurz oder lang dort erkranken würde und nicht in einem serbischen Spital
verrecken möchte oder mich zumindest ganz zugrund richten möchte für
das Leben (das Vaterland hat ja davon auch nichts), wäre es mir wichtig,
bald in einer Kanzlei unterzukommen, wo ich notabene dem Vaterland
besser dienen könnte als beim Wachdienst ..."