Berg, Alban: Brief an Erich Kleiber. Wien, 16.10.1928
  • 4 -
    Du wirst ausser der Generalprobe wohl noch
    ein oder – mehrere (WIE WAERE DAS SCHOEN!) Or-
    chesterproben haben. Und da möchte ich Dich bit-
    ten, dem Orchester ans Herz zu legen,
    dass es die p und pp besonders beobachtet.
    Bei der Virtuosität mit der sie das spielen,
    ist nichts verlockender, als alle diese melodi-
    schen Nebenstimmen, ja Begleitfiguren recht aus-
    drucksvoll zu spielen, und da ist nichts leich-
    ter als vom p ins mf zu geraten, oder vom
    pp ins mp. Was dadurch,allein für den Sän-
    ger,für eine Gefahr entsteht, brauch ich Dir
    mein Lieber, wohl nicht zu sagen. Ich fürchte
    ohnedies, daß Du vielleicht schon den Eindruck
    hast, daß ich Dir ins Handwerk pfusche. Aber
    andererseits weißt Du, daß ich nicht nur einer
    der vielen Komponisten bin, die nicht dirigieren
    können, sondern auch einer der ganz wenigen, die
    das zugeben.
    Indem ich Dir nochmals für die Ansetzung des
    Wozzeck aus vollstem Herzen danke, schließe ich
    diesen Drei-Wünsche-Brief und grüße Dich und die
    lieben Deinen , auch im Namen meiner Frau, auf
    das Freundschaftlichste ! Dein Alban Berg