Berg, Alban; Tonhalle-Orchester Zürich: Brief an das Tonhalle-Orchester. Wien, 1931.10.°°
Abschrift
Alban Berg, Wien XIII
Oktober 1931.
An das
Tonhalle-Orchester in
Zürich
Meine sehr geehrten Herren,
aus persönlichen und Zeitungs-Berichten ersehe ich mit grösster Freude,
dass die Aufführung meiner Oper "Wozzeck" in Zürich einen wirklich ganz
grossen Erfolg hatte. Aus der Erfahrung, die ich an fast zwei Dutzend
"Wozzeck", Bühnen gemacht habe, weiss ich mit grosser Bestimmtheit,
dass ein solches Gelingen nur dann zustande kam und
kommen kann, wenn die Leistung des Orchesters eine exceptionel-
le, eine weit über das Gewohnte hinausgehende war und ist. Ich kann also,
ohne Sie, meine Herren, gehört zu haben, behaupten, dass das auch bei
Ihnen der Fall war, denn sonst hätte (wie gesagt) - fast ganz automatisch -
das Gegenteil, ein Misserfolg, eintreten müssen. Schon aus dieser Schluss-
folgerung, aber auch aus dem, was ich aus den Zeitungen ersehe, und was
mir Kapellmeister Dr. Kolisko, Ihr prächtiger Führer, über Ihre Leistun-
gen berichtete, leite ich mir die Berechtigung ab, Ihnen hierfür meine Be-
wunderung auszudrücken (und kaum jemand ist so in der Lage wie ich, die
orchestrale Bewältigung der "Wozzeck"-Partitur, sowohl was die Einzellei=
stung als auch was das Zusammenspiel betrifft, zu bewerten) und neben die-
ser gewiss berechtigten Bewunderung auch meinen Dank auszudrücken für
alles das, was Sie sowohl als einzelne Künstler als auch als Körperschaft-
meinem Werk angedeihen liessen: für all Ihr Können, für all den Fleiss,
die Ausdauer, ja den Glauben, ohne den ein solches Gelingen nie und nim-
mer erzielt worden wäre!
Seien Sie, meine geehrten Herren, in herzlicher Wert-
schätzung gegrüsst von
Ihrem
sig. Alben BERG.