Bauer, Leopold: Brief an Moritz Benedikt. Wien, 12.12.1916
anziehung hervorragender Mitarbeiter für den literarischen
Teil des Blattes, sei es durch Heranziehung Gelehrter, be-
deutender Finanzmänner, Fachmänner von Ruf u.s.w. Man kann
wohl ohne zu schmeicheln, behaupten, dass Ihre Zeitung
in dieser Hinsicht Vorbildliches geleistet hat.Insbesonders
wir Künstler sind stets sehr erfreut, wenn ein Artikel
SELIGMANN's in Ihrem Blatte erscheint.Da ist doch endlich
eine fachlich gebildete Persönlichkeit,die gerecht und unbe-
einflußbar, aber auch unvoreingenommen den künstlerischen Er-
eignissen gegenübersteht und dabei stets bemüht ist,den
Laien zum Verständnis der künstlerischen Probleme zu erzie-
hen. Wie wichtig ist eine solche Stimme der Vernunft in ei-
ner Zeit, in der eine ebenso unvernünftige als ungebildete
Kritik durch die Verbreitung gefährlicher Schlagworte die
größte Verwirrung angerichtet hat. Mehr als die Laien wis-
sen Ihnen daher die Künstler in ihrer überwiegenden Majori-
tät dafür Dank,dass Sie dieser Stimme in Ihrem Blatte Raum
geben. Von besonders radikaler Seite wurde ja Prof.SELIGMANN
ab und zu heftig angegriffen, aber Narren und Stänkerer giebt
es eben auf jedem Gebiete und ebenso Leute, die sich nur wohl
befinden, wenn sie im Trüben fischen und sehr wohl wissen,daß
sie ihre Talentlosigkeit nur so lange verbergen können,als
das Publikum in Unwissenheit und Verwirrung erhalten wird.
Das, was nun Ihre Zeitung durch die
SELIGMANN'schen Artikel auf dem Gebiete der bildenden Kunst
besonders auf dem der Malerei leistet,möchte ich nun gerne
auch auf das Gebiet der Architektur ausgedehnt wissen;Fach-
leute sollten hier zu Worte kommen und in ähnlich systemati-
scher Weise das Publikum aufklären. Ich erlaube mir also die
Anfrage, ob Sie geneigt wären,Artikel, welche in entsprechen-
der Form aktuelle Probleme der Baukunst behandeln,in Ihrem
Blatte aufzunehmen. Wenn Sie damit einverstanden wären, wür-
de ich selbst mir erlauben, gelegentlich interessantes Ma-
terial ,das mir in meiner Wirksamkeit zugängig ist, zu bear-
beiten und Ihnen einzusenden.
Ferner möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen zu