Blittersdorff, Philipp: Brief an Gustav Gugitz. o.O., 16.10.1917
und damit können wir wohl unsere Hoffnung endgiltig be-
graben. Denn jetzt wird sein Erbe irgend ein enragiertes
Mitglied dieser Familie sein, an den man nicht herankommt.
Mir geht die geistige Einöde sehr nahe. Das Gehirn
vertrocknet, die Erinnerungen verblassen. Ich bin zu keiner
schriftstellerischen Arbeit gekommen. Es ist trostlos. Da-
zu die lange, lange Trennung von der Familie, der man all-
mählig ganz entfremdet wird, die Sorgen meiner armen Frau
um das tägliche Brot, um Kohlen und Beleuchtung, - man
kann nicht froh werden und nach Friedensschluss wird die
Teuerung und das Elend noch ärger werden.
Wenn Sie mir, verehrtester Herr Gugitz,ab und zu
Nachrichten senden können, so tun Sie mir eine Wohltat. Man
wird allmählig vergessen. Ich habe hier ja gar nichts, ab-
solut gar nichts, was ablenken oder den Geist beleben könnte.
Kanzlei, Essen und Schlafen, Tag für Tag, wie ein Tier !
Die Memoiren verlangen sich die Krieger nicht, ich
machte mit der " Thürheim " den Versuch. Kein Offz. wollte
anbeissen, sie zu lesen, nur Detektiv- und Kriegsromane.
Das sich Versenken in die alte romantische Zeit kommt viel-
leicht wieder, aber ich glaube, wir gehen einem sehr realis-
tischen und praktischen Zeitalter entgegen und das Alte
wird nur von wenigen estimiert werden. Gott helfe weiter !
Mein guter Bekannter Kabinettsdir. v. Polzer hat
es also jetzt zum Grafen Hoditz- Wolframitz gebracht. Mir
scheint, die Grafen wachsen unter jetzigem Regime leicht aus
dem Boden ( z. B. Scheuchenstuehl, warum gegraft ? )
Es grüsst Sie und wünscht Ihnen und Familie alles
Gute
Ihr alter, ergebener
Philipp Frh. v. Blittersdorff mp