Charlemont, Theodor: Brief an Franz Karl Ginzkey. Wien, 12.4.1919
Wien 12. April 1919
Hochgeehrter Herr Ginzkey!
Ihr geschätztes Schreiben hat mich sehr befriedigt
und danke herzlichst dafür.
Wenn ich jetzt erst zu diesen Zeilen mich entschloßen habe,
so liegt die Zögerung in den lähmenden Zeitver-
hältnißen.
Der Besuch des damaligen Vortrages wurde mir
leider gleichzeitig gründlich verleidet, durch eine
Hiobspost aus der Akademie. Ich bekleide
nemlich gerade durch zehn Jahre die Stelle
eines Assistenten an der Bildhauer Spezial-
schule an der Kunst Akademie. Statt eine
Beförderung zu erwarten, dürfte ich in ab-
sehbarer Zeit Sang und klanglos ab-
ziehen müßen. Die Gründe hierfür kann ich
nur vermuten. Das Bewußtsein bei dem
obersten Leiter der Akademie keine besondere
Geltung zu genießen beherrscht mich schon lange.
Mit besten Empfehlungen zeichnet sich ergebenst
Theodor Charlemont
ac. Bildhauer