Decsey, Ernst: Brief an Wilhelm Kienzl. Graz, 3.5.1921
Dr. Ernst Decsey
Graz, Normalschulgasse 1

Graz, 3. Mai 21.
Hochgeehrter Herr Doctor !
Zu einer kleinen Arbeit, diesich mit künstler.Psycho-
logie befasst, könnten Sie mir einen guten Dienst
leisten, falls Sie dazu gestimmt sind. Sie erzählten
mir einmal sehr hübsch die Geschichte von der Ent-
stehung des Evangelimanns. Jch glaube, Jhre verst orbne
Frau Gemahlin las zufällig (?) ein Reklambüchlein und
machte Sie aufmerksam - morgens,zeitlich entwarfen Sie
bereits das Szenarium. Jch schrieb den Vorfall sogar
einmal nieder, allein ich finde das Blatt nicht mehr,
und ausserdem istmir um eine authentische Form zu tun.
Vielleicht haben Sie also die grosse Güte, mir die
Anekdote mitzuteilen. Sie können sie vielleicht dikt-
iren oder mir einen zuverlässigen Zeitungsausschnitt
senden, ganz nach Jhrem Gutdünken. Jch weiss, Sie
sind eine flessiger Arbeiter und Briefschreiben kostet
Zeit. Jch bin auch zufrieden, wenn Sie einen andern,
ähnlich musikalisch-characteristischen Vorfall aus
Jhrem Künstlerleben mir mitteilen wollten : etwas, was
das Wesen des schaffensprozesses od. dgl trifft, nicht