Berg, Alban: Brief an Anton von Webern. Trahütten, 12.10.1925
Webern-Schicksal.
Daß Du mitten in einem neuen Liederzyklus bist, freut
mich riesig. Was Du mir darüber sagst erfüllt mich heute
schon mit dem Bewußtsein, daß es etwas ganz besonders
Schönes wird. Die Idee die 3 Lieder den Hertzka zu widmen ist
ganz famos und ganz originell. Übrigens: meiner
Meinung nach eignet sich das erste Lied selbstverständlich
für diese Hertzka=Mappe. Es muß doch kein Festmarsch
sein! Auch ich sandte ein, im Text ganz ohne Zusammenhang
mit dem Jubiläum stehendes, (Liebes=)lied. Bzw. zwei
- über den selben Text, ein ganz altes u. ein ganz Neues.
Dieses letztere hab' ich hier heroben komponiert: der erste
Versuch strengster 12 Ton-(Reihen=-)Komposition. Aber in dieser
Kunst bin ich leider noch nicht so weit wie Du; darum kann
ich Dir vorderhand auch noch nicht viel berichten über meine der=
zeitige Arbeit am Streichquartett. Es geht mir nicht recht von der Hand.
Aber ich bin vielleicht auch sehr müd, gesundheitlich nicht auf der Höhe u.
verbrachte auch wieder viel Zeit mit der Revision des Klavierauszugs des
Konzerts, der jetzt an Reich geht. Solche Arbeiten absorbieren einen wirk=
lich tagelang u. reißen Einem aus aller Stimmung.
U. nun dank ich Dir nochmals für die Lieder u Deinen lieben Brief
u grüße Dich u die Deinen (auch im Namen meiner Frau) innigst Dein Berg
Meiner Frau geht es im Gleichen: 1 paar Tage besser, dann gleich wieder schlechter: wie das Wetter
Es ist sehr sehr kalt hier. Aber sonst herrliches Wetter augenblicklich.-
Es soll übrigens eine Suite f. Streichquartett werden. 6 kürzere Sätze mehr lyrischen als symphonischen Charakters.