Berg, Alban: Brief an Anton von Webern. Berghof, 18.6.1919
Berghof am Ossiachersee
Post Ossiach, Kärnten
18.6.19
Mein lieber Freund, nach längerem Aufenthalt in Malnitz,
von wo ich Dir eine Ansichtskarte geschrieben habe,
bin ich wieder hier gelandet u. warte die kriegerischen
Ereignisse an Ort u. Stelle ab, bereit jede Stunde
wieder davonzugehn, wenn die Italiener die in großen
Massen hier lagern mit den Serben zusammenstoßen.
Ich fand eine Menge Post hier vor. Vor allem Deine
liebe Karte, die mich sehr gefreut hat. Ich bin
glücklich, daß Dir mein Stück gefallen hat u. daß
Du es - wie ich auch von andern Seiten gehört habe -
so schön herausgebracht hast. Ich danke Dir viel-
mals für die Liebe u. Mühe, die Du darange-
wendet hast. Daß ich es nicht hören konnte!!
Und den Strawinsky auch nicht? Ich höre auch daß Deine
Sachen so ganz besonders schön gebracht wurden: Passacaglia u
Lieder! Die gestochenen Lieder hab' ich nun endlich auch!
Sie sind sehr schön ausgefallen. Ich freu mich sehr darüber.
Diese Lieder u. Pierrot sind nun die einzigen Noten, die
ich hierhabe.
Beantwortung Deiner Karte, die infolge der falschen Adresse
eine Rundreise um den See gemacht hat: Ich bin hier
glänzend versorgt. Auch Milch! Klima u. Natur in
dieser Jahreszeit herrlich. Es geht mir auch schon besser.
Aber doch noch nicht so, daß ich getrost nach Wien fahren
könnte. Deshalb bat ich Schönberg um Verlängerung mei-
nes Urlaub's: ich möchte mich einmal so auskurieren, daß
ich wieder leistungsfähig (körperlich u. geistig) werde. Nach-
dem ich mich seit meinem Einrücken 1915 so verdorben