Blaschitz, Philomena: Brief an Unbekannt. o.O., 29.5.1932
29/5/32.
Lieber sehr verehrter Herr Doktor!
Ich habe mir erlaubt,Ihnen eine dicke Mappe zu schicken und
schicke hier noch Bilder.Ich habe nämlich eine unbescheidene Bitte.
Ich muss morgen, bis zur letzten Stunde krank und todmüde in den
Staatsprüfungen sitzend, ins Krankenhaus und habe am ersten Juni eine
sehr schwere Operation zu überstehen,die wegen meines Herzfehlers auch
schlimm ausgehen kann.Ich weiss in diesem Falle nicht, wohin mit den
Sachen des Grazer Malers Dombrowsky ,der mit Dr Wlach letzt-
hin bei Ihnen war;die beiden fragten mich,wohin man sich wegen Beant-
wortung eines Subventionsgesuches zu wenden habe.Ich war erstens
schon sehr"am Rande", zweitens weiss ich es auch garnicht.Ich hoffte,
Sie wissen es;sind Sie bitte nicht böse, dass die beiden Herren
Sie fragen kamen!Da ich weiss, wie Dr Semetkowsky den Dombrowsky scätzt
dachte ich,dass es nicht allzu unverschämt sei,Sie hier um Rat zu fra-
gen,wo wir alle ratlos waren.
Bitte dürfen diese Sachen bei Ihnen liegen,bis er sie sich holt
oder ich -hoffentlich?- auferstehe?
Bitte sehen Sie sichs auch an und wenns wen interessiert, bitte
zeigen Sies weiter.Ich hörte den beiden am Sonntag geduldig stunden-
lang zu - aber meine Gedanken sind schon alle im Operationssaal und
die ich herauslocken kann, sind in meinen Prüfungen.
In einem dermassen elenden Zustand ist man egoistischer als sonst
und ich bitte Sie,das zu verzeihen.
Ich komm ins Rudolfinerhaus, und hoffentlich auch wieder raus.
Wenn nicht- ich hab Sie als meinen Nachfolger vorgeschlagen.