Bindtner, Josef: Brief an Gustav Gugitz. Wien, 1.8.1916
Gebreste, die wir gerne ertragen wollen, uns
davor bewahren gezwungen zu werden unser
Teil an dem Morden beizutragen! Wir verlieren
ohnedies, wie Sie richtig bemerken, unsere besten
Jahre, da uns die Hände gebunden sind unsere
Kultur zu pflegen. Alles ist ärmlich u. ärgerlich
u. die Menschheit hat sich mit unauslöschlicher
Schande bedeckt. Sie hatten ja die Absicht auf
einige Tage nach Wien zu kommen? Wir
werden uns dann wohl an einem sicheren Orte
finden, u. ich freue mich herzlich darauf.
Mein Schweizer "Fürsprech" läßt sich auch
nicht übel an; er sendet mir ganz wertlose amtliche
Auszüge u. verlangt einen Vorschuß von 100 Fränkli.
Es ist überall die gleiche Beutelschneiderei. In
meiner Verzweiflung fiel ich sogar wieder einmal
ins "Winzerhaus" u. fand dort den Dr. Könzer
mit ein par Prachtexemplaren von stiernackigen
Wiener Spießern sitzen, was mir bis auf weiteres
den Besuch des "schönen" Lokals verleidete.
Nun haben wir die herrlichsten Sommer-
tage. Kommen Sie bald einmal herein - wenn
Sie den "Patriarchen" besuchen, müssen Sie ja wohl
Wien passieren. Jakob Fischer war auf einige Wochen
in Maria-Enzersdorf, er malte bei Trenkwalds Portraits.
Dieser Tage kommt er wieder. Mit schönsten Grüßen
Dr.Bindtner.