Feith, Gustav: Brief an Hermann Reuther. Wien, 18.4.1931
Wien, 18./IV. 1931.
Hochgeehrter Herr Direktor!
Gestatten mir Gefertigten hochgeehrter Herr Direktor,
daß ich für das besondere Wohlwollen, welches Sie
meiner Person stets, und nun wieder in der Preisjury unsers
Bundes anläßlich des Ehrenpreises der Stadt Wien entgegen=
gebracht, meinen herzlichen Dank ausspreche.
Leider Gott waren Herrn Direktors Bemühungen wieder
vergeblich - die Zeit ist rüksichtslos und das schöne alte
Dichterwort: "Ehre das Alte hoch" ist und wird
von unsrer heute brutalen Jugend rücksichtslos zu
Boden getreten.
Hätte der Bund sich um mich 25 jähriges Mitglied bemüht,
wäre es wohl anders geworden. Ich kenne die Gesinnung
unsres 2tn Vorstandes, der einst mein Lehrling, als ich
schon ein namhafter und wohl einer der tauglichsten Wiener
Lithografen war, hätte sein können, und wundre mich
nicht, daß es so gekommen und seinem engeren
Freunde Mises dieser Preis zufiel. Die heutige Jugend
glaubt, sie ist es und bedenkt nicht, daß aus dem Lehr=
ling noch lange kein tüchtiger Geselle, geschweige denn
Meister geworden und daß der akad. Student noch
lange zum "Werden" Zeit hat. Der promov. Student
macht Spitalsdienst und ist noch lange kein Arzt und
braucht Zeit zu Namen und Würden.
Kein Wunder, wenn Kummer u. Sorge, zu der noch
außer meiner herzkranken Frau ein arbeitsloser Sohn herzu
kommen, größer und nicht geringer wird. Vielleicht hätte
meinem seit 10 Jahren kranken Kehlkopfe ein kleiner Land-
aufenthalt mit frohem Schaffen durch diesen Preis gut getan.
Vorstand Lach verglich meine kleinen Arbeiten unschön zu
Mises - auch Vorstand Lach hat seinerzeit 2 mal diesen
Preis für ebenso kleine, gleichartige Arbeiten erhalten.
Die Zukunft wird diesem Bunde nichts Gutes bringen.
Max Raden sagte ganz glänzend: Ihr Künstler habt
alle nichts und rauft Euch, wo heute die reine Menschlich=
keit am Platze wäre.
Ich danke nochmals hochgeehrtem Herrn Direktor mehr
wie herzlich für all' das stete Wohlwollen und zeichne
mit dem Ausdruke
aller Verehrung und
Wertschätzung
Maler Gust. Feith
19. Sechshauserstrasse 122.