Faistauer, Anton: Brief an Arthur Roessler. Sankt Martin <Lofer>, 30.6.1914
30. 6. 1914.
Lieber Herr Roeßler,
Ein paar Tage bin ich erst in Scheffsnoth St. Martin bei Lofer u.
meine Not ist wirklich nicht gering. Die Landschaft ist wunderbar u.
meine Zuversicht nicht groß. Die Tage sind gar so schön u. etwas
zu beginnen ein großes Wagnis. Ich weiß nicht, ob es auch andern
so geht u. ergangen ist oder ob bloß ich so jämmerlich bin.
Wenig fehlt mir diese Natur zu erfassen, ich sehe sie in ihrer
schrecklich schönen Deutlichkeit u. diese macht mir bange. Das
Huhn od. das Pferd auf dem grünen Grase ist von einer
Dürerischen Sinnfälligkeit, der Nadelwald u. der mosige
Stein so eindringlich sprechend, daß mich diese Sprache blendet.
Sie ist fast rätsellos od wohl so voll der Rätsel, daß
das Rätsel verwindet u. nur mehr der einzig schwere
Zusammenhang in Figur zu mir spricht u. ich den Schreck
empfange wie von einem ganz schweren Ereignis. Es
ist wahrlich Gott in Person u. ich kann nicht vor ihm
bestehen u. darum wissen. Es ist nichts da von den Schleiern
des Südens, wenn Sie mir im Bilde lieber glauben
wollen ist es das Bildnis von Sais offenbar!
Meine Armseeligkeit ist derart gründlich, daß ich ganz traurig
werden möchte. Ich glaube nicht mehr blindlings malen
zu können. Das Ereignis möchte ich haben. Wenn
meine Bilder das nicht haben werden, dann bin ich wirklich
schwach. Es frißt mir an der Seele zu dieser
Segnung zu kommen, denn ohne die Gnade kann man
nicht malen. Und ich will ringen mit Ihm und Ihn
nicht lassen "es sei denn, dass Du mich segnest"
Ich habe in M etwas gemalt aber recht unvollständig. Mein
Zustand dort war auch sehr uneinig. Wenn ich hier etwas
erreiche, dann hoffe ich auf etwas wirkliches zu kommen.