Felner, Karl von: Brief an Arthur Roessler. Berlin, 4.7.1919
Berlin-Westend, den 4. Juli 1919.
Lieber Alter,
was istdenn bloß mit euch Wienern los?! Seit weiß
Gott wieviel Monaten kein Sterbenswort! Ab und zu etwas in Drucker-
schwärze (was ja auch Freude macht!), aber Persönliches gar nichts!
Von Dir habe ich über ein Jahr nicht eine Zeile mehr gesehen, - und
habe Dir inzwischen einige Male geschrieben. Dann wolltest Du nach
Kriegsende nach Berlin kommen, - und kannst höchstens incognito dage-
wesen sein. Junk ist überhaupt total eingefroren. -
Höre: Du musst jetzt für mich etwas tun. Voraussetzungen dazu
sind eben geworden, und zwar teile ich Dir folgendes mit: der Verlag
Axel Juncker hat meine sämtlichen 15 Märchenspiele genommen (die Hälf-
te davon ist fertig, die andere habe ich noch auszugestalten). Zwei da-
von erscheinen bis zum Herbste illustriert, auch in Luxusausgabe, und
zwar "Der Froschkönig" und "Gevatter Tod". Du musst in irgend einer
Zeitung (am besten Tageszeitung) über mich e twas loslassen. Und zwar
sobald als möglich als Vorbereitung für die Bucherscheinungen, die Du
dann wieder vornehmen musst. Ich weiß nicht, ob Du die beiden Stücke
kennst? Ob Du überhaupt etwas von mir aus den letzten Jahren, im Be-
sonderen meine Märchenintentionen, weißt? Wenn nicht, so schreibe ich
Dir näher, wie ich alles meine. Nur musst Du mirs eben sagen. Dann
komme ich möglicher Weise mit dem Gev.Tod in der Berliner "Tribüne"
heraus (durch Neumanns Vermittlung) ; das wär schon was. In Wien lie-
gen die beiden Stücke seit weiß Gott wann bei Bernau; nichts zu hören:
Wien! Ihr seids überhaupt Schlafmützen! Schmeiß dem Bernau doch eine
Handgranate, auf der mein Name steht. Man muss heute Radau machen und
machen lassen, sonst gehts nicht. Und da alle Radau machen, warum solls
einem dann nicht erlaubt sein? Es gibt ja anständigen Radau, und den
sollst Du für mich machen. Das Burgtheater ist wol ein bonmot von
gestern geworden? Und sonst ist mit den Bühnen in Wien doch alles Was-
ser! Aber vielleicht wäre Bernau doch wol kapabel!? Schau doch dazu.
Im April und halben Mai habe ich eine Vortragsreise durch Baden
gemacht: sehr nahrhaft und ertragsreich; aber politische Quertreibe-
reien haben die Reise abgebrochen. Man steht nicht ungestraft geistig
auf der Platform der U.S.P.! Nicht etwas politisch: denn politisch bin
ich völlig indifferent. Es ist beinahe schlimmer, auf der geisti-
gen Seite zu stehen als auf irgend einer politischen. Aber das war im-
mer so, und dazu hätten wir nicht so viel Aufsehen gebraucht. Aber was
kümmert das alles unsereinen im Grunde?
Also jetzt schreib mir allerhand über Dich und darüber, was ich
hier berührte. Grüß mir Deine Frau herzlichst, und Sie soll Dir einen
Rippenstoß, oder zwei geben, dass Du mir schreibst. Meine Frau grüßt
euch gleichfalls. Meine Tochter ist seit Montag auf vier Monate in
Schweden (durchs Rote Kreuz). Wir andern bleiben in Berlin im Sommer -
da lasst sich nix machen.
Grüß Dich Gott!
Dein
KF