Franzos, Ottilie: Postkarte an Julius Pée. Wien, 4.8.1931
Wien, 4.8.31. 4. Starhemberggasse 32
Lieber, verehrter Herr Professor!
Sie halten mich sicher für ganz treulos!
Das bin ich aber nicht. Meine Gedanken
sind oft bei Ihnen und der Zeit, in der
unsere Korrespondenz eine so rege war. Lan=
ge habe ich täglich an meinem Brief an Sie ge=
arbeitet, bis ich ihn endlich, als Antwort auf
einen von Ihnen, abschickte.
Nun bin ich aber nicht nur fast 75 -
das sagt nichts, meinen Sie und führen
mir das Beispiel Ihrer jüngst heimgegan=
genen Freundin an - sondern auch von sehr
schwankender Gesundheit. Ich bin seit dem
Herbst nicht mehr ausgewesen. Vor Allem
aber fehlt mir der Lebenszweck, die Beschäf=
tigung mit Dingen, die mich interessiren
würden. Und somit auch der Anstoss
zur Mitteilung durch Briefe. Auch kom-
men immer wieder Zeiten, wo ich selbst
zu einem solchen zu müde bin.
Sehr gerne hätte ich wieder einmal
ausführliche Nachricht über die 3 Gene=
rationen Pée. Ich fühle aber die Unbe-
scheidenheit, die in einer Bitte darum
läge.
Rudolf - Gott segne, erhalte und
beschütze ihn, seine Mutter und seinen
Bruder - hat nun das erste Jahr
Konsular-Akademie absolvirt, Michel
die Siebente (Unterprima) des Realgym=