Franzos, Ottilie: Brief an Julius Pée. Wien, 21.2.1923
speicheldrüsenentzündung mitgebracht - schmerzhaft und ansteckend.
22/2 Der Bub ist ganz munter. - Ich denke, wir können ohne Bouterwek auskommen! 24/2 Ihr lieber, reizender Brief v. 18. machte mir
große Freude. Mein kleines Geschichtchen ist wohl für die jetzige, über-
hitzte, nur auf das Verhältniß zwischen Mann und Weib bezügliche
deutsche Literatur zu altväterisch einfach. Es war übrigens bei
der N. Fr. Presse - die es verloren hat, ohne mir irgendwie Er-
satz zu bieten. Ich habe es mühsam aus unzulänglicher Kladde
nochmals abgeschrieben und freue mich, daß es Ihnen Beiden
gefallen hat. Lieber Herr Professor, das genügt mir. - Daß der
Rabbi v. Sadagóra /sprich Sadagura/ sich geregt hätte, ist mir nicht in Erinne-
rung. Wie sehr gehaßt u verfolgt K. E. aber von seiten der Chassidim
von seinen schriftstellerischen Anfängen bis zu seinem Ende war, können Sie denken. 1911 war ich übrigens mit der Schwieger-
tochter des damaligen Wunderrabbi gleichzeitig in Kalten-
leutgeben, unserer berühmten Kaltwasseranstalt - eine
Stunde von Wien -, ohne sie jedoch zu Gesicht zu bekommen.
Ein koscheres /rituelles/ Restaurant giebt es in K. * -
Doczy's "Kuß" hat mich beim Wiederlesen etwas an
"Donna Diana" erinnert, doch hält es den Vergleich nicht aus.
Es freut mich so, daß Sie vom Garten erzählen und
unendlich Ihre liebe Einladung. Ihr nachzukommen,
daran kann ich freilich nicht denken. Auf eine so weite
Reise würde ich mich wagen und dann - wir wollen
unter keiner Bedingung Politik reden - wie hier
die Stimmung ist, wäre es nicht zu wagen, jetzt nach Belgien
zu gehen . . .
Sie haben Recht: Harmonie ist das Höchste innerlich
und äußerlich, das verteidige ich stets und seit Jahren.
Für den Segen, den Sie meinem Helfer wünschen, danke
ich von Herzen.
Enrica v. Handel-Mazzetti's Roman: "Jesse u. Maria"
hat 1906 großes und berechtigtes Aufsehen erregt. Sie
steht an der Spitze der zeitgenössischen katholischen Schrift-
steller. Eduard Engel widmet ihr in seiner deutschen Littera
turgeschichte 2 1/2 Seiten, er sagt u. A. "Unter den jüngeren
Erzählungsdichterinnen ist nach dem Urteil der beru-
fensten Richter: der älteren Meister ihrer Kunst
die stärkste Kraft u. die bewussteste Künstlerin das
österreichische Freifräulein E. v. H-M., geb in Wien am
10 Januar 71. Eine Dichterin, von der Marie v. Ebner
[links:] * im Ort, nicht in der Anstalt, wo ich mit der Fürstin Lobkowitz, dem Herzog v. Avarna, damali-
ger it. Botschafter gleichzeitig war.