Gomperz, Heinrich: Brief an Heinrich Friedjung. Wien, 12.10.1915
liche Einigung mit Deutschland , einen Block zu schaffen,der sich
auf diese Kardinalforderung als auf die wesentliche Richtlinie sei-
nes politischen Verhaltens verpflichten sollte. Und da die Initia-
tive hiezu den schon bisher aktiven Politikern unmöglich überlas-
sen , weil von ihnen unmöglich erwartet werden kann; da wei-
ters die undankbare Aufgabe einer solchen Initiative immer einer dem
anderen überlassen möchte , während sich doch in dieser Zeit niemand
der Wirksamkeit für die Polis entziehen sollte , so habe ich mich
bei aller Bescheidenheit und Abneigung gegen Heraustreten aus der
Gelehrtenstube daran gemacht , selbst ein klein wenig das Terrain
zu sondieren, wobei mir als das dringlichste erschien , intellek-
tuelle Kapazitäten verschiedener Parteistellung, die bisher nicht
im Vordergrunde des politischen Lebens gestanden hatten, zu einer
vorbereitenden Aktion zu einigen , die zunächst einmal mit einer
Kundgebung der deutsch-österreichischen Intelligenz hervortreten
könnte , zugleich aber auch den Kern für den
späterhin zu schaffenden politischen Block abzugeben hätte.
Da der Kollege Stefan Hock mit mir in diesen Auffassungen üb-
ereinstimmte und sich erbot , durch gewisse persönliche Verbindun-
gen mit dem christlich-sozialen Lager Fühlung zu nehmen, so erklär-
te ich mich bereit, nach akademischer Seite sowie auch nach gewis-
sen anderen Richtungen Fühler auszustrecken, und als Unterlage für
diese Besprechungen verfasste ich im August den Entwurf einer Er-
klärung , die zunächst der Regierung zu überreichen wäre, und von
dem ich mir erlaube , hier ein Exemplar beizulegen.
Unsere Besprechungen und Fühlungnahmen sind leider z.T.aus äus-
seren Gründen über die allerersten Anfänge noch nicht hinausgedie-
hen , doch wäre es mir natürlich schon heute höchst wertvoll , woll-
ten Sie , hochverehrter Herr Doktor , mich wissen lassen , wie Sie
sich der Idee gegenüberstellen würden , eventuell auch welche Auf-
nahme er im Kreise der Urheber Ihrer Denkschrift zu gewärtigen hätte?
Indem ich Sie bitte, mir hierüber gelegtnlich einen Wink zukommen zu
lassen, verbleibe ich in alter Verehrung Ihr aufrichtig ergebener
H. Gomperz