Wien, 28. Juli 1933
Hochgeehrte Frau!
Mit tiefer Rührung habe ich den ersten Band von August
Sauers „Gesammelten Schriften“ empfangen. Rief er mir doch
die Zeit meines Verkehrs mit ihm lebhaft in Erinnerung, die
schönen Stunden, in welchen ich so viel von ihm empfangen
habe, so viel Anregung und Ermutigung zur Arbeit. Wie
freut' ich mich jedesmal über seine Ankunft! Es bedurfte
langer Zeit, um mich wieder zu sammeln, als mir die
traurige Gewißheit wurde; ihm nicht mehr die Hand
drücken, nicht mehr seine Stimme hören zu können, die
mir so viel Weisheit und Güte offenbarte. War er doch der
einzige Mensch, der mir den Begriff Freundschaft verkör-
perte. So habe ich mir ihn im Gedenken an vergangene
Tage lebend erhalten und führe Zwiesprach mit ihm in
einsamen Stunden.