Gräf, Hans Gerhard: Brief an Otto Weissel. Weimar, 8.12.1923
Weimar, 8. 12. 23.
Sehr geehrter Herr Doktor,
Mit dem alten Römer rief
ich aus (es war ja wohl der selige Horatius): "Claudite
jam rivos, pueri; sat prata biberunt" - als Ihre
neue Geldsendung von 50.000 Öst. Kronen anlangte
als Liebesgabe des mir völlig unbekannten Herrn Dr. Weiß=
Tessbach! Gott behüte mich vor Prozessen; aber wäre ein
solcher unvermeidlich, niemand anders als Herrn Dr. O. W.
in Wien würde ich zu meinem Rechtsanwalt wählen. Sie
scheinen die beneidenswerte Fähigkeit zu haben: den Leuten
die Moneten nur so aus der Brusttasche zu saugen.
Doch Spaß bei Seite. Ich bin wahrhaft gerührt, daß Sie
mich so mit dem leider zur Zeit Nötigsten versorgen.
Sie sammeln glühende Kohlen auf mein Haupt. Und
wie das gute Gretchen kann ich nur dastehen u. sagen:
„Beschämt nun steh ich vor ihm da, und sag' zu allen
Sachen: ja." Wenn nun auch freilich das Wort, oben
zitiert: „sat prata biberunt" keineswegs wörtlich
wahr ist, bitten möchte ich Sie doch, Ihre kostbare Zeit
nicht allzu sehr zu opfern, um mir wohlzutun.