Gräf, Hans Gerhard: Brief an Otto Weissel. Weimar, 8.12.1923
Obgleich die Preise für die notwendigsten Lebensmittel in den aller=
letzten Tagen etwas gefallen, es ist immer noch schauderhaft,
die Waarenverkäufer sind zum Teil, obgleich seit jeher in
ihre Tasche wirtschaftend u. d. Käufer schröpfend, jetzt
vollkommen entartet, der Wucher blüht wie noch nie, u.
wir armen Teufel sind wehrlos gegen ihn. Meist muß man
wieder aus d. Laden gehen, weil sich herausstellt, daß man nicht
genug Geld bei sich hat. Doch genug von dieser Misere. Und
statt dessen hier ein kleines Lyricon, das mir vor zwei
Tagen plötzlich um Mitternacht (ich lag schon längst im Bett)
auf d. Papier stand. Es spiegelt vielleicht meine Stimmung,
d.h. Stimmung der Deutschen im Spätherbst 1923 einigermaßen
wieder. Und wenn es sich auch verkriechen muß vor dem
„Fetzen" des „Ewigen Juden", die der junge Wolfgang hinhaute
in ähnlicher Situation, d. h. "Um Mitternacht wohl fang' ich
an, Spring aus d. Bette wie ein Toller", so werden Sie das
Blatt doch zu würdigen wissen und nachsichtig beurteilen.
Herrn Dr. Weiß=Teßbach habe ich bereits gedankt (unter
Nennung des Betrags) ebenso Ihrem Herrn Bruder Wilhelm,
dem freundlichen Vermittler auch dieser Sendung. Aus Ihrer
Karte an ihn, die ich ihm zurückgab, erfuhr ich auch, (ich
mußte sie ja lesen), zu meinem lebhaften Bedauern, daß Sie
in Sorge sind durch Krankheit einer lieben Angehörigen.
Mag diese nun Gattin, Tochter oder Schwester sein, ich wünsche