Gundolf, Friedrich: Feldpostkarte an Marianne Kassner. o.O., 14.1.1916
Verehrte: Ich benutze eine Stunde
da ich nach reichlichem Alkoholgenuß
guter Laune bin, um Ihnen für
Ihre Zeilen zu danken. Auch ist
seit einigen Stunden wieder mein
Leben durch Vorgesetzte erleichtert,
aber niemand weiss wielange es
währt - alles was ich Ihnen schreibe
ist bis zu seiner Ankunft längst
veraltet, und Ihre Antwort meist
wie der Anklang aus einer früheren
Inkarnation! Die Sehnenscheidenent=
zündung muss ich zur Zeit der Völker
wanderung gehabt haben. Wünsche hab ich keine!
Bedenken Sie dass ich all mein Gepäck oft
4 Stunden weit auf dem Buckel durch den
Dreck schleppen muss: was soll ich da mit einem
Himmelbett? Aber Dank für die gute Absicht.
Heut hab ich einen selten schönen Tag! Und ich
will diesen Bericht schliessen, eh er zu Ende ist.
Herzlichstes Gedenken
Ihres
Gundolf
14/1/17