Halbe, Max: Brief an Egon Friedell. München, 10.8.1920
Dr. Max Halbe
München
Wilhelmstraße 2
10.8.20.
Lieber Herr Doktor Friedell,
seien Sie mir nicht böse, dass ich Ihnen noch nicht auf Ihren
Maibrief geantwortet habe, worin Sie mich zur Mitarbeit an Ihrem Altenberg-
Buch einluden. Glauben Sie nicht, dass das aus mangelnder Liebe für das
Andenken unseres guten Peter Altenberg geschehen ist oder aus Vergesslichkeit
gegen die angenehmen Stunden, die ich in früheren schöneren Zeiten mit Ihnen
verlebt habe. Aber ich bin tatsächlich in Verlegenheit, wie ich eigentlich
Ihrem Wunsche entsprechen soll, denn ich glaube nicht, dass ich einen Brief
von Altenberg besitze, und welche Anekdote von ihm oder welche Erinnerung
an ihn könnte es geben, die Sie, lieber Doktor Friedell, nicht so viel besser wüss-
ten als ich ! Wenn mir aber doch noch etwas einfallen sollte, so wird es
Ihnen nicht vorenthalten bleiben.
Ich hoffe, Sie befinden sich den Zeitumständen gemäss, als wel-
che man wohl mit Recht beschissene nennen kann, wohlauf und hüllen sich nicht
wieder in Schweigen, wenn ich bei meinem nächsten Besuch in Wien Ihnen eine
Zusammenkunft vorschlage.
Mit herzlichen Grüssen
Ihnen aufrichtig ergeben
Max Halbe