Hayek, Max: Brief an Franz Karl Ginzkey. Wien, 31.12.1925
MAX HAYEK
WIEN XVIII/1.,
WEIMARERSTRASSE 34.
WIEN, AM 31.Dezember 1925
Mein lieber und hochverehrter Franz Karl Ginzkey!
Sie sind also doch wieder heimgefahren und wir haben
Sie nicht bei uns gesehen! Und dabei lag ein Aquarell für Sie
und Ihre liebe Frau bei uns in Bereitschaft und herzlichste
Gastfreundschaft wartete nur darauf,sich zu betätigen! Der
Dichter der"Eva"kam aber nicht und fuhr heim - er war offenbar
auch schon reichlich müde von all den Menschen und wollte sein
stilles Salzburg wieder erreichen!
Wir sind mehr als je vegetarisch orientiert - das Obst
wird immer mächtiger - und so verabschiedeten wir mit der letzten
Kochkünstlerin die letzte Kochkünstlerin,vulgo Köchin - und
Sascha wusste doch nicht recht,ob ihre Künste ausreichten,um
Gäste zu befriedigen! Also konnten wir Euch nicht zu Tische
bitten - was uns recht leid tat! Gewiss hätten wir eine leben-
dige Stunde miteinander verlebt!
Nun also,mein lieber Herr Ginzkey und verehrte gnädige
Frau,nun müssen wir unser Geschenk der Post anvertrauen! Sie
empfangen ein Aquarell,das meine Frau geschaffen hat,als eine
Hochzeitsgabe von uns beiden(ich las doch etwas von einer sol-
chen Hochzeit!)nebst den allerherzlichsten Wünschen,die wir
in einem kräftigen Prosit für 1926 ausklingen lassen möchten!
Gesundheit und gutes Gelingen,vortrefflichster Franz Karl Ginz-
key,Erfolg und Schaffensfreude!
Vielleicht gibt's in Salzburg ein Wiedersehen!
Inzwischen bin ich mit wiederholten Wünschen und Grüssen
- auch von meiner Frau -
Ihr altergebener
Max Hayek