Horwitz, Karl: Brief an Fritz von Schey. Wien, 14.2.1920
Wien, 14. Febr. 20
Lieber Fritz!
Besten Dank für Deine Karte!
Nur verstehe ich absolut nicht, was Du mit dem Wort „quälend”
meinst. Wenn Du willst, gequält hab ich mich im Sinne
von „arbeiten”, zwar nicht bei allen Sachen gleich oder
bei manchen gar nicht, aber ebenso redlich und ehrlich,
wie sich alle „quälen” und „gequält haben”, die schaffend
tätig sind und waren. Es ist nicht so einfach, wie es aussieht,
und anderseits sieht es nicht so einfach aus, wie es ist.
Der gute alte Brahms hat einmal gesagt: „Ein schöner
Einfall ist eine gute Gabe Gottes. Aber erst was draus machen,
das ist dasjenige, was das Kunstwerk ausmacht!”
Kunst kommt eben von „Können” und wer nicht
„kann”, dem nützen die schönsten Einfälle nichts, die gleichsam
das Material zum Vollendeten bieten, wie dem Baumeister
die Steine, die er auch nicht wahllos und ohne Beziehung
zueinander und Ausgleichen neben- oder aufeinanderstellen kann.
Übrigens haben die Lieder bei den ersten Musikern gerade
den Eindruck von „ursprünglich Empfundenen” gemacht. „Der Abend”
ist doch nichts weniger als gequält, ebenso die anderen nicht, bis
vielleicht auf die „Hälfte des Lebens”, was aber weniger gequält als
elementar ist und was ich für das beste von allen halte, weil
es den Besitz und auch die Verzweiflung über den Verlust dessen, was
die „Hälfte des Lebens” ausmacht, in jeder Beziehung treffend
charakterisiert und überhaupt tief empfunden ist. Ich habe dieses
unerhört prachtvolle, kühne Gedicht aus der Irrsinnszeit Hölderlins
[links:] Die Kritiken werden wieder schön sein!!