Horwitz, Karl: Brief an Fritz von Schey. Wien, 14.2.1920
gute zwei Jahre mit mit herumgetragen und erst später den
richtigen Ausdruck dafür gefunden, trotzdem ich es schon oft versucht hatte.
Das allerdings hat mich nicht ruhen lassen. Sage übrigens Anny,
daß sie mich Jahre vor der Komposition auf dieses Gedicht aufmerk-
sam gemacht hat! Vielleicht erinnert sie sich noch daran.
Die Lieder sind übrigens vor Jahren geschrieben und mein
jetziger Stil ist ganz anders. Seit vorigem Sommer habe ich mich
ganz gefunden und stehe ganz auf eigenen Füssen. Ich schreibe
und schrieb immer nur so, wie ich empfinde. Ich habe, wie jeder
es durchmachen muss, einige Wandlungen hinter mir und schliesslich
festigt sich die Persönlichkeit, wenn man reifer wird. Weit besser und
konziser in der Form und im Ausdruck sind meine letzten Sachen.
Ich habe mehrere Aufführungen in Aussicht und weiters erscheinen
von mir Orchestersachen und Kammermusik.
Die Gedichte sind allerdings schön. Ich hab immer schöne
Gedichte vertont. „Schliesslich fällt einem bei einem schlechten
nix ein” pflegte der selige Schubert zu sagen. Anregung braucht
man. Die Texte sind mir zufällig untergekommen. Ich suche nie
nach etwas, sondern wenn ich etwas entdecke, dann packt und
hält es mich, bis ich mich davon erlöse, indem ich es vertone:
und dann bin ich „erlöst”, dann hab ichs mir weggeschrieben.
Ja, mein lieber Fritz, es ist mir schauerlich ernst mit diesen
Angelegenheiten. Und daher kommt es auch, daß ich so eine ungeheure
Lebensfreude habe und mich nichts, was auch kommen mag, niederstrecken kann.
Ich arbeite viel und hoffe im Herbst in Deutschland zu sein.
Ernstl geht es unberufen herrlich (er war unlängst zum erstenmal in „Schneewittchen”
und hat beinahe die Bühne vor lauter intensivem Aufpassen verschlungen und alles sehr
ernst genommen - er war entzückend)! Beate und Euch geht es hoffentlich auch gut.
Ich mußte mich wegen des „quälenden” rechtfertigen, da ich es nicht verstehe.
Nichts für ungut! Alles Liebe Euch insgesammt von Eurem Karl
[Bleistift, andere Hand:] Horwitz