DR. LUDWIG KAISER
Sistrans bei Innsbruck,
30. Juli 1926.
Verehrtester Meister!
Ich würde es nicht wagen, Ihren Urlaub zu
stören, wenn es nicht so dringend wäre. Da ich
aber - unbescheidener Weise - annehme, dass Sie
mir mit Wohlwollen entgegenkommen, erlaube
ich mir an Sie mit folgendem Ersuchen heranzu-
treten. Ich beabsichtige, mich um die kürzlich
ausgeschriebene Stelle des Dirigenten der Sinfonie-
Konzerte in Graz zu bewerben. Sie, hochgeehrter
Meister, haben ja wiederholt Gelegenheit gehabt,
mich am Pult bei der Leitung Ihrer Werke
zu beobachten und zu beurteilen; ich musste dabei
allerdings in erster Linie Geistesgegenwart und manuelles
Geschick beweisen, da ich ja - im Fabrikstreiben der
Wiener Volksoper - niemals die nötigen Vorproben errei-
chen konnte. Ich war - wie Ihnen ja bekannt, - jahre-
lang Assistent Ihres Freundes Felix Weingartner
an der Hofoper u. Volks-Oper, habe neben ihm
die deutschen Wagner-Aufführungen in Süd-
Amerika
Sistrans bei Innsbruck,
30. Juli 1926.
Verehrtester Meister!
Ich würde es nicht wagen, Ihren Urlaub zu
stören, wenn es nicht so dringend wäre. Da ich
aber - unbescheidener Weise - annehme, dass Sie
mir mit Wohlwollen entgegenkommen, erlaube
ich mir an Sie mit folgendem Ersuchen heranzu-
treten. Ich beabsichtige, mich um die kürzlich
ausgeschriebene Stelle des Dirigenten der Sinfonie-
Konzerte in Graz zu bewerben. Sie, hochgeehrter
Meister, haben ja wiederholt Gelegenheit gehabt,
mich am Pult bei der Leitung Ihrer Werke
zu beobachten und zu beurteilen; ich musste dabei
allerdings in erster Linie Geistesgegenwart und manuelles
Geschick beweisen, da ich ja - im Fabrikstreiben der
Wiener Volksoper - niemals die nötigen Vorproben errei-
chen konnte. Ich war - wie Ihnen ja bekannt, - jahre-
lang Assistent Ihres Freundes Felix Weingartner
an der Hofoper u. Volks-Oper, habe neben ihm
die deutschen Wagner-Aufführungen in Süd-
Amerika