Karpath, Ludwig: Brief an Wilhelm Kienzl. Wien, 13.1.1932
Wien, den 13.Jänner 1932.
HOFRAT LUDWIG KARPATH
WIEN IV., PRINZ EUGENSTRASSE 16
TELEPHON: U-49-0-61
Hochverehrter Meister Kienzl!
Fünf Jahre schon, seit wir Ihren Siebzigsten feierten. Ja, die
Zeit rast. Bloss meine Verehrung für Sie hat sich nicht verändert, sie
hat sich eher noch intensiviert. Das ist teils Ihrem Wirken zuzuschreiben,
teils weil wir beide aus dem Wagnerkreis stammen, was allein schon eine
Zusammengehörigkeit darstellt. Die Franzosen nennen den bedeutendsten Mu-
siker der Gegenwart: Le Maître. Für Oesterreich gilt dies von Ihnen. Ich
bin leider nicht wohl genug, um Sie aufzusuchen, nehme daher auf diesem
Weg den willkommenen Anlass wahr, Ihnen ein herzliches: Ad multos annos!
zuzurufen. Mit wenigen, aber wahrhaft empfundenen Worten begrüsse ich Sie
an Ihrem fünfundsiebzigsten Geburtstag, der Ihnen sicherlich Zeugnis davon
ablegen wird, wie sehr Sie in den weitesten Kreisen geschätzt und geliebt
werden.
Ihrer lieben Frau und Ihnen alles Herzliche und Liebe von
Ihrem sehr ergebenen
Ludwig Karpath