Kienzl, Wilhelm: Korrespondenzkarte an Nina Kienzl. Bad Aussee, 4.10.1915
Liebste Mama! Bad Aussee, 4. Oktober 1915.
Eben erhielt ich Deinen lieben Brief. Deine Gefühle
bez. Haris u. Kurt begreife ich völlig. Entsetzlich ist
die Hungersnot (denn eine solche kann man die Lebens-
mittelkrisis in Graz wohl fast nennen). Auch wir fürchten
uns davor, besonders auf die Petroleum=Misere. Natürlich
werde ich gleich an Deinen Hausherrn schreiben; aber ich
bezweifle sehr, dass er willfahren u. sich in die Kosten
einer Gaszuleitung stürzen wird. Wie ist sein Name
(Schmölzer?), Stand u. Adresse?- Wir frieren tüchtig,
u. ich arbeite rastlos. Wir sind ganz allein hier auf
der Höhe. Else bleibt noch bis 14. Oktober. Jüngst wurde ich
mit dem Ehepaar „Du und Du“. - Henny ist längst fort
(seit 29. Sept.). Ich werde Dir, wenn ich in Graz bin, ein Sem-
mel=Krankheitszeugnis geben lassen, damit Du wieder
Deine Semmeln zum Kaffee wenigstens haben kannst.
An Therese v. Reininghaus schrieb ich einen schönen Dankbrief.
Richard Sahla, dessen 60. Geburtstag am 17. September war