Kosel, Hermann Clemens: Brief an Franz Karl Ginzkey. Wien, 16.1.1922
Atelier Kosel
Wien I., Aspernplatz 1
16. I. 1922.
Sehr verehrter Herr Ginzkey,
Soeben habe ich Herrn Chefredakteur Dr. Ernst Molden
in meinem Atelier gesprochen wegen einer Rezension meines
Dürerwerkes. Er schlug mir vor, bei Ihnen anzufragen, ob
Sie für die „Neue Freie Presse“ eine Rezension schreiben wollten,
da Sie als Dürerkenner in erster Linie in Frage kämen. Ent=
weder Sie teilen Ihren Entschluß mir mit und ich vermittle ihn
an Dr. Molden, oder Sie schreiben an ihn eine Karte.
Ich wäre natürlich sehr glücklich, wollten Sie mein Buch
besprechen, Sie waren ja der erste, dem ich die Idee dazu
vor Jahren mitgeteilt habe und Sie kennen Dürer sehr gut.
Mein Buch ist ein Buch für das Volk und soll das Verständnis
für den Meister wecken. Es ist also anschaulich und lebendig
geschrieben, wenn auch nicht so literarisch fein, wie Ihr
„Wiesenzaun“, Sie kennen mich ja als Selbsterzieher, mir
fehlt die akademische Bildung, um mit Schriftstellern Ihres
Ranges nur einigermaßen in Konkurrenz treten zu können.
So bitte ich Sie denn, über meine Schwächen hinweg, das
Gute zu nehmen, das ich in dem Werke anstrebe. Ich wäre
sehr glücklich, wenn Sie meinem Buche Ihre Meinung
mit auf den Weg geben wollten. In einigen Tagen erwarte
ich das erste Exemplar, dann wird der Verlag auch sofort
von Wien aus (Konegen) an Sie und die N. Fr. Presse ein
Exemplar schicken.
Sie finden zu jedem Gegendienste bereit
Ihren Sie verehrenden
H.C.Kosel.