Kapralik, Eduard: Brief an Arthur Roessler. Wien, 18.5.1916
Wien, 18. Mai 1916.
Lieber Freund - bitte vor allem, sagen Sie Ihrer Frau,
es tut mir sehr leid und ich habe mich recht geär-
gert, daß ich nicht von ihrer Anwesenheit bei uns
verständigt wurde. Die Nacht war unruhig ge-
wesen - wie die letzten Wochen überhaupt - und
ich hatte mich in meinem Zimmer niedergelegt,
um vor dem Abenddienst ein wenig auszuruhen.
Ich bin aber nicht Philister genug, um ein Nach -
mittagschläfchen für heilig und unantastbar
zu erachten, las übrigens nur und hörte nichts,
weil die Türen geschlossen waren. Anders
steht es natürlich mit meiner Frau, sie ist sehr
hergenommen und ihr Schlaf muß geschont wer-
den; hat seit Ostern viel zu leiden gehabt und
war gezwungen, die meiste Zeit im Bett zu ver-
bringen. Die Hoffnung, die sich bei ihr so spät einge-
stellt hat, ist leider stark ins Wackeln gekommen
und wackelt ständig weiter, was ihr, abgesehen
vom körperlichen Schaden, ständige Gemütserschüt-