Liebenwein, Maximilian: Brief an Richard von Schaukal. Wien, 14.9.1914
hättest, würdest du meine Trauer theilen. Treu, klug, talentvoll, ehrenhaft, wohler-
zogen, so rückte er vor 6 Wochen begeistert ins Feld, von Siegen träumend. Er war
ein bildschöner Mensch, aber nicht im landläufigen, sondern in edlerem Sinne; lang
hager und geschmeidig, mit einem beinahe römischen Aristokratenkopfe und jener Anmuth
ausgestattet die von der Kraft kommt. - „Ach der Tod verschlingt die Besten!“
Für die Spende, die Du unserm Lazarett widmest, danke ich bestens. Sie ist
noch nicht in meinen Händen.
Ein paar neue Episoden. 1.) In unserm Lazarett liegt ein junger Mensch, der
in der Schlacht bei Zamosce 3 Bajonettangriffe mitgemacht hat; er ist schwerverwundet
aber glücklich wie ein genesendes Kind. Bei sich im Bette hat er den Degen eines
russischen Obersten liegen, den er selbst mit dem Bajonett getödtet hat. Er gibt ihn nicht
aus der Hand, hält ihn selbst im Schlafe fest, und spielt traumverloren und glückselig
mit dem silbernen Porteepee des Feindes. Im Schlaf schreit er manchmal: „Bajonett
auf! Marsch Marsch!“ oder „Vorwärts“ oder „Hurrah“. Seine ganze Seele ist noch von
der Lust des Angriffs gefangen, die ihn nicht mehr loslässt.