Ernst Lissauer
Wien, XIX/2,
Armbrustergasse 10
Telefon A 12-7-13
Herz[...] liebe Rosa! (Auch von der S[c]riba!)
Wien, 20.5.31
Liebe Frau Diederichs,
zu meinem grossen Bedauern höre ich,dass der Verlag Diederichs das
philodophische Werk Rosa Mayreders zurückgewiesen hat. Da ich ihr in
naher,verehrungsvoller Freundschaft verbunden bin,betrübt es mich,
dass sie,die ohnehin seit Jahrzehnten ein schweres Schicksal,die see-
lische Erkrankung ihres Mannes,zu tragen hat,diese Enttäuschung er-
lebt. Es ist für eine zweiundsiebzigjährige Frau ihres äusseren und
inneren Ranges schwer einen andern Verlag zu suchen; jeder andere
Verlag wird fragen,warum der Verlag Diederichs es abgewiesen hat.
Nun sind mir die Verhältnisse des Verlags- und Büchermarktes natür-
lich wohlbekannt. Ich glaube aber,Rosa Mayreder ist so geschätzt,dass
ein gewisser Absatz des Buches gesichert ist. Daher bitte ich Sie
mit Ihren Herrn Söhnen zu erwägen,ob Sie das Buch nicht unter gewissen
Voraussetzungen dennoch bringen könnten. Vielleicht kännte Frau May-
reder auf die Honorare aus ihren übrigen Büchern für eine gewisse Zeit
verzichten,ebenso selbstverständlich bei dem Buche selbst,ja,sie könn-
te eventuell zu den Druckkosten beitragen. Uebrigens ist es sicher mög-
lich durch Subskription von vornherein eine Anzahl Käufer zu sichern,
sodass das Risiko des Verlages vermindert,vielleicht ausgeschlossen
würde. Jedenfalls scheint es mir nicht möglich das Buch einer solchen
Autorin schlechthin anzuweisen,die dem Verlage durch Jahrzehnte hindurch
geistige und auch gewisse materielle Erfolge gebracht hat. Dies letzte
muss ich wenigstens annehmen,da ihre Bücher mehrfach aufgelegt worden
sind.
Ich verfolge "die Tat" mit starker Teilnahme.Das Maiheft,insbesondere
der Friedsche Aufsatz,ist ganz ausgezeichnet.
Wie geht es Ihnen persönlich?
Mit herzlichen Grüssen,auch von meiner Frau,
Wien, XIX/2,
Armbrustergasse 10
Telefon A 12-7-13
Herz[...] liebe Rosa! (Auch von der S[c]riba!)
Wien, 20.5.31
Liebe Frau Diederichs,
zu meinem grossen Bedauern höre ich,dass der Verlag Diederichs das
philodophische Werk Rosa Mayreders zurückgewiesen hat. Da ich ihr in
naher,verehrungsvoller Freundschaft verbunden bin,betrübt es mich,
dass sie,die ohnehin seit Jahrzehnten ein schweres Schicksal,die see-
lische Erkrankung ihres Mannes,zu tragen hat,diese Enttäuschung er-
lebt. Es ist für eine zweiundsiebzigjährige Frau ihres äusseren und
inneren Ranges schwer einen andern Verlag zu suchen; jeder andere
Verlag wird fragen,warum der Verlag Diederichs es abgewiesen hat.
Nun sind mir die Verhältnisse des Verlags- und Büchermarktes natür-
lich wohlbekannt. Ich glaube aber,Rosa Mayreder ist so geschätzt,dass
ein gewisser Absatz des Buches gesichert ist. Daher bitte ich Sie
mit Ihren Herrn Söhnen zu erwägen,ob Sie das Buch nicht unter gewissen
Voraussetzungen dennoch bringen könnten. Vielleicht kännte Frau May-
reder auf die Honorare aus ihren übrigen Büchern für eine gewisse Zeit
verzichten,ebenso selbstverständlich bei dem Buche selbst,ja,sie könn-
te eventuell zu den Druckkosten beitragen. Uebrigens ist es sicher mög-
lich durch Subskription von vornherein eine Anzahl Käufer zu sichern,
sodass das Risiko des Verlages vermindert,vielleicht ausgeschlossen
würde. Jedenfalls scheint es mir nicht möglich das Buch einer solchen
Autorin schlechthin anzuweisen,die dem Verlage durch Jahrzehnte hindurch
geistige und auch gewisse materielle Erfolge gebracht hat. Dies letzte
muss ich wenigstens annehmen,da ihre Bücher mehrfach aufgelegt worden
sind.
Ich verfolge "die Tat" mit starker Teilnahme.Das Maiheft,insbesondere
der Friedsche Aufsatz,ist ganz ausgezeichnet.
Wie geht es Ihnen persönlich?
Mit herzlichen Grüssen,auch von meiner Frau,