OSKAR LOERKE
BERLIN-HALENSEE
JOACHIM-FRIEDRICH-STRASSE 34
Fernsprecher: Uhland 2589
d.7. 6. 29.
Lieber, verehrter Herr Fontana!
Zürnen Sie mir bitte nicht zu sehr, daß ich Ihnen erst
heute schreibe. Ich habe mich herzlich gefreut, ein neues Werk
von Ihnen kennen zu lernen und las es bereits vor einer Woche.
Indessen, ich war etwas gehetzt, weil mehrere wichtige Ent=
scheidungen schwebten und weil etwa vierzig Neuerscheinungen
im Verlage vorbereitet werden müssen. Diese Reichhaltigkeit des
Programms übrigens könnte den Entschluß des Verlages, was Ihren
Roman betrifft, ungünstig beeinflussen. Ich habe ihn mit Bewegung
gelesen und empfehlend weitergegeben. Ich bat um recht rasche Entschließung. Auch ich gehöre ja zu
denen, die vom Wirbel der Zeit aus der vollen Gegenwart heraus=
gedreht worden sind und wohl für immer nur am Rande werden stehen
müssen, wenigstens auf den für sie wesentlichen Gebieten. Gel=
tung und Lebensunterhalt finden sie nur dort, wo sie aus Selbst=
überwindung und nicht mit ganzem Herzen sind. Über diese Situation
und ihre Folgen weiß Ihr Buch Ergreifendes und wunderbar Formu=
liertes. Alles dem unmittelbar fühlenden Wort und der nach=
drücklich auslegenden Rede Zugängliche finde ich ausgezeichnet,
nicht durchaus und überall in gleicher Weise überzeugend die
beispielhaften Belege in den gepaarten Schicksalen. Ebenso scheint
mir die Form der Komposition in ihrem Wechsel von Bericht, Brief,
Tagebuch nicht genügend leicht; die gewollte, der seelenvollen
Stimmung folgende Freizügigkeit wirkt ein wenig angestrengt. Doch
Sie wissen, nörgeln kann man überall,und ich tue es auch nur,
weil mein Eindruck nicht obenhin war.
Dankbar, mit allen guten Wünschen und schönsten Grüßen
Ihr
Oskar Loerke
EEin neues Gedichtbuch von mir ist nicht erschienen, sondern
sondern nur die zweite Auflage meiner Sammlung von 1916: die
erste betrug 500 Exemplare. Der Neudruck ist mir trotzdem ein Wunder.
BERLIN-HALENSEE
JOACHIM-FRIEDRICH-STRASSE 34
Fernsprecher: Uhland 2589
d.7. 6. 29.
Lieber, verehrter Herr Fontana!
Zürnen Sie mir bitte nicht zu sehr, daß ich Ihnen erst
heute schreibe. Ich habe mich herzlich gefreut, ein neues Werk
von Ihnen kennen zu lernen und las es bereits vor einer Woche.
Indessen, ich war etwas gehetzt, weil mehrere wichtige Ent=
scheidungen schwebten und weil etwa vierzig Neuerscheinungen
im Verlage vorbereitet werden müssen. Diese Reichhaltigkeit des
Programms übrigens könnte den Entschluß des Verlages, was Ihren
Roman betrifft, ungünstig beeinflussen. Ich habe ihn mit Bewegung
gelesen und empfehlend weitergegeben. Ich bat um recht rasche Entschließung. Auch ich gehöre ja zu
denen, die vom Wirbel der Zeit aus der vollen Gegenwart heraus=
gedreht worden sind und wohl für immer nur am Rande werden stehen
müssen, wenigstens auf den für sie wesentlichen Gebieten. Gel=
tung und Lebensunterhalt finden sie nur dort, wo sie aus Selbst=
überwindung und nicht mit ganzem Herzen sind. Über diese Situation
und ihre Folgen weiß Ihr Buch Ergreifendes und wunderbar Formu=
liertes. Alles dem unmittelbar fühlenden Wort und der nach=
drücklich auslegenden Rede Zugängliche finde ich ausgezeichnet,
nicht durchaus und überall in gleicher Weise überzeugend die
beispielhaften Belege in den gepaarten Schicksalen. Ebenso scheint
mir die Form der Komposition in ihrem Wechsel von Bericht, Brief,
Tagebuch nicht genügend leicht; die gewollte, der seelenvollen
Stimmung folgende Freizügigkeit wirkt ein wenig angestrengt. Doch
Sie wissen, nörgeln kann man überall,und ich tue es auch nur,
weil mein Eindruck nicht obenhin war.
Dankbar, mit allen guten Wünschen und schönsten Grüßen
Ihr
Oskar Loerke
EEin neues Gedichtbuch von mir ist nicht erschienen, sondern
sondern nur die zweite Auflage meiner Sammlung von 1916: die
erste betrug 500 Exemplare. Der Neudruck ist mir trotzdem ein Wunder.