Anif-Salzburg,1.III.1932
Liebe gnädige Frau!
Ich komme eben von einem längeren Aufenthalt aus Wagrain
im Pongau, wo wir uns auf Ski-Touren im Hochgebirge, in Schnee
und Sonne gründlich restaurierten, wieder heim, und finde Ihre freund-
lichen Zeilen, die ich als Ausdruck Ihrer ehrlichen Offenheit und
Ihrer freundschaftlichen Gesinnung begrüsse und bedanke und mit glei-
cher Gesinnung und Offenheit erwidern möchte.
Ich habe dem Präsidium entsagt, weil ich gefunden habe,
dass die kleinliche Verbandsstreiterei dem inneren Menschen nicht gut
tut, und dass der Dichter nicht geboren ist, um als Bureaukrat oder
Vereinsmeier zu enden. Ich habe ferner gefunden, dass unter diesen
Christen doch zu wenig Liebe herrscht, zu wenig Verständnis für per-
sönliche Leistung und persönlichen Wert, ganz zu schweigen von der
Fähigkeit zum Dank, die nur edle Naturen besitzen. Wenn ich mir diesen
Luxus erlauben könnte gekränkt zu sein, so hätte ich wohl Ursache dazu
durch die niederträchtige Haltung des sogenannten Schiedsgerichts, das
sich eigentlich selbst gerichtet hat, wenn es mir auch in allen Punk-
ten Recht gibt und in drei Punkten unentschieden bleibt. Es war nichts
als ein Hornberger Schiessen. Aber dass man aus einer Lappalie eine
hochnotpeinliche Affaire machte,ist das Deprimierende. Jeder Unbefan-
gene musste sofort erkennen, dass die sogenannten Beschwerden nur der
Ausfluss der Eifersucht und Gehässigkeit über meine Reformarbeit ist
und hätte kurzerhand mit zwei Worten die Sache aus der Welt schaffen
müssen, wie ich vorauszusetzen das gute und selbstverständliche Recht
hatte. Vergleichsweise gesprochen: wenn etwa ein roter Wirtshausdema-
goge gegen Seipel den Vorwurf erhebt, er habe silberne Löffel gestohlen,
Liebe gnädige Frau!
Ich komme eben von einem längeren Aufenthalt aus Wagrain
im Pongau, wo wir uns auf Ski-Touren im Hochgebirge, in Schnee
und Sonne gründlich restaurierten, wieder heim, und finde Ihre freund-
lichen Zeilen, die ich als Ausdruck Ihrer ehrlichen Offenheit und
Ihrer freundschaftlichen Gesinnung begrüsse und bedanke und mit glei-
cher Gesinnung und Offenheit erwidern möchte.
Ich habe dem Präsidium entsagt, weil ich gefunden habe,
dass die kleinliche Verbandsstreiterei dem inneren Menschen nicht gut
tut, und dass der Dichter nicht geboren ist, um als Bureaukrat oder
Vereinsmeier zu enden. Ich habe ferner gefunden, dass unter diesen
Christen doch zu wenig Liebe herrscht, zu wenig Verständnis für per-
sönliche Leistung und persönlichen Wert, ganz zu schweigen von der
Fähigkeit zum Dank, die nur edle Naturen besitzen. Wenn ich mir diesen
Luxus erlauben könnte gekränkt zu sein, so hätte ich wohl Ursache dazu
durch die niederträchtige Haltung des sogenannten Schiedsgerichts, das
sich eigentlich selbst gerichtet hat, wenn es mir auch in allen Punk-
ten Recht gibt und in drei Punkten unentschieden bleibt. Es war nichts
als ein Hornberger Schiessen. Aber dass man aus einer Lappalie eine
hochnotpeinliche Affaire machte,ist das Deprimierende. Jeder Unbefan-
gene musste sofort erkennen, dass die sogenannten Beschwerden nur der
Ausfluss der Eifersucht und Gehässigkeit über meine Reformarbeit ist
und hätte kurzerhand mit zwei Worten die Sache aus der Welt schaffen
müssen, wie ich vorauszusetzen das gute und selbstverständliche Recht
hatte. Vergleichsweise gesprochen: wenn etwa ein roter Wirtshausdema-
goge gegen Seipel den Vorwurf erhebt, er habe silberne Löffel gestohlen,