Molden, Berthold: Brief an Hugo Wittmann. Wien, 5.9.1917
Wien, 5. September 1917.
Sehr geehrter Herr!
Ihre Feuilletons über Grillparzer
nöthigen mich, Ihnen diesen Brief zu schicken.
Ich muss Ihnen wieder einmal sagen, was ich mir
so oft sage, dass ich die unerschöpfliche Frische und
natürliche Fülle brauche und mich an ihr immer
wieder erfreue. Ich freue mich über die aufscheinende
Leichtigkeit, hinter der auch so viel Kraft steckt,
über den Reichthum an lebendigen Blättern, die
den Zweigen eines starken Stammes entsprießen.
In unserer Wiener Schriftstellerwelt erscheinen
Sie mir wie die volle Linde neben der Eiche Speidel.
Es thut mir leid, dass ich Sie schon so lange nicht
gesehen habe, aber mündlich hätte ich Ihnen ja doch
schwerlich gestanden, was ich hiermit schriftlich
bekenne. - Möge es Ihnen immer gut gehen, das
wünsche ich von Herzen; nur ein rechtes Gemüth
kann so schreiben wie Sie.
Meine Frau und ich grüßen Sie bestens.
Ihr ergebener
Molden.