Necker, Moritz: Korrespondenzkarte an Sophie Lotheissen. o.O., 18.7.1914
Innsbruck, Sillgasse 5 III
18. VII. 14
Liebe Sophie!
Die gestrige Nacht habe ich bis ¾ 3 schlaflos verbracht,
weil mich Bussons Benehmen so aufregt. Jetzt läßt er mein
schon gesetztes Feuilleton liegen u. druckt seinen „Fallmerayer“
zuerst . . Näheres darüber zu reden kann ich mir sparen. —
Heut traf ich Hörmann, der rüstig aus Unter=Mieming herab-
gekommen ist, um mich zu besuchen. Ich kam gerade aus meinem
Haustor, als er zu mir wollte. Wir gingen ein gut Stück We-
ges zu Hedwig wo ich auch heute mit ihr zu Mittag aß. Hörm.
sieht viel besser aus, als ich erwarten konnte. Auf das Streber-
tum der Pölt ist er sehr schlecht zu sprechen. Sie schlängelt sich mit
ihrem Schmeichlertum überall ein, widerwärtig. Ich hab sie noch
immer nicht besucht. - Abends war ich gestern mit Hedwig bei Exl,
der Direktor machte mir im völlig ausverkauften Haus - es war
ein Regentag! auch heute hats bis jetzt 5 Uhr Nachm. geregnet -
beim „Beschwerdebuch“ von Karl Etlinger. Wir blieben nur zwei
Akte lang, dann nahm ich sie noch ins Kaffeehaus, wo man um
10 Uhr abends die Wiener Morgenblätter schon lesen kann - Gestern
Nachm. von ½ 6 - 7 war ich mit Engensteiner im Kreid u. Rudolf
Greinz, sein Neffe, kam auch spontan hinzu. Hedwig hatte viel
von ihm gelesen u. ihre naive Freude, ihn persönlich kennen zu ler-
nen, schmeichelte Greinz, den ich seit mindestens 20 Jahren nicht wieder
gesehen hatte. Ich war sehr nett mit ihm, ohne mir was zu vergeben u.
[oben, überkopf geschrieben:]
Ich bleibe nur noch Montag hier, wegen eines „Gewissensw.”
um Engenst. heimsuchen zu können.
Dem Hörm. hat Brandl
das Lit. Echo zugeschickt.