Ochs, Siegfried: Brief an Wilhelm Kienzl. Berlin, 10.1.1918
PHILHARMONISCHER CHOR
(DIR.: PROF. SIEGFRIED OCHS)
BERLIN, DEN 10. Januar 1918
Hochverehrtester Herr Dr.!
Die Noten sind bereits angekommen, und ich habe das
Stück schon durchgespielt. Als ich den Titel sah, sagte ich mir
sofort im Sinne Goethes:
Was von Wilhelm Kienzl kommt,
Ueberall ist das willkommen.
Und das stimmt auch. Es wird nun, das muss ich ganz offen sagen,
vielleicht nicht mehr möglich sein, in diesem Winter an die Auffüh-
rung des kleinen Werkes, das mir ausgezeichnet gefällt, zu denken.
Unsere Programme stehen bereits fest, und ich kann nicht verspre-
chen, dass sich noch etwas einfügen lassen wird. Aber das Chorstück
kommt sofort auf den Index der aufzuführenden Sachen. Es wird mir
eine ganz besondere Freude sein, wenn wir hiermit den Namen des
Schöpfers nicht nur des Evangelimann, sondern des leider hier vom
Repertoire verschwundenen, mir ganz besonders lieben Don Quichote
auf dem Arbeitsplan unseres Chores haben.
Nach Wien werde ich wohl kaum wieder in beruflichen
Absichten kommen. So unendlich gern ich die Stadt habe, und so rei-
zend die Menschen sind, so vermag ich mich doch nicht darüber zu
täuschen, dass sich mit dem mir dort zur Verfügung gewesenen Mate-
rial nicht viel ausrichten lässt. Die Damen und Herren unseres
Chores haben sich stets die denkbar grösste Mühe gegeben und sind
zu mir reizend gewesen, aber schliesslich war doch immer nur eine
Andeutung dessen zu erzielen, was ich eigentlich wollte. Das hängt
mit Dingen zusammen, deren Erörterung hier zu weit führen würde.