Wien den 13/XII 1914
Mein liebes Fräulein: Es gibt eine Reizzone des Schmerzes,
überschreitet man die, überfällt einen eine eisige
Teilnahmslosigkeit die noch unendlich qualvoller
ist, als der brennenste Schmerz. Ich peitsche mich
durch diese Tage und jage die Besinnung zu Tode.
Dabei will aber mein dummer Cadaver nicht recht
mittun und demonstriert gegen diese unge=
wohnte Behandlung. Gestern teilte man mir
den Tod meines Schwiegervaters mit, der an
Lungenentzündung auf dem nördlichen Kriegs=
schauplatz verstarb und den ich sehr sehr lieb
hatte. Er war Kapellmeister und eine
Franz Schubertnatur. Es ist eine fürchterliche
Zeit, mit Tragödien erfüllt, von denen sich
noch vor Monaten die größte Dichterphantasie
keine Vorstellung machen konnte. Wohl unserer
Johanna, daß sie all das Fürchterliche nicht an sich
heranwogen sah. Sie war die fanatischeste edel=
ste Kriegsgegnerin. Wie ich lebe? Ich wohne in
einem kleinen engen Zimmerchen 3ten Stock
im Hotel Hamerand. Etwas besseres bekam ich
nicht, da alles von Flüchtlingen überfüllt ist.
Es ist ja auch nebensächlich wie ich wohne, da ich ja doch
nur einige Nachtstunden im Zimmer verbringe
und in diesen [p]ar einsamen Stunden grauenhafte
Dinge erlebe, so daß ich froh bin, wenn der Tag kommt ٪
Mein liebes Fräulein: Es gibt eine Reizzone des Schmerzes,
überschreitet man die, überfällt einen eine eisige
Teilnahmslosigkeit die noch unendlich qualvoller
ist, als der brennenste Schmerz. Ich peitsche mich
durch diese Tage und jage die Besinnung zu Tode.
Dabei will aber mein dummer Cadaver nicht recht
mittun und demonstriert gegen diese unge=
wohnte Behandlung. Gestern teilte man mir
den Tod meines Schwiegervaters mit, der an
Lungenentzündung auf dem nördlichen Kriegs=
schauplatz verstarb und den ich sehr sehr lieb
hatte. Er war Kapellmeister und eine
Franz Schubertnatur. Es ist eine fürchterliche
Zeit, mit Tragödien erfüllt, von denen sich
noch vor Monaten die größte Dichterphantasie
keine Vorstellung machen konnte. Wohl unserer
Johanna, daß sie all das Fürchterliche nicht an sich
heranwogen sah. Sie war die fanatischeste edel=
ste Kriegsgegnerin. Wie ich lebe? Ich wohne in
einem kleinen engen Zimmerchen 3ten Stock
im Hotel Hamerand. Etwas besseres bekam ich
nicht, da alles von Flüchtlingen überfüllt ist.
Es ist ja auch nebensächlich wie ich wohne, da ich ja doch
nur einige Nachtstunden im Zimmer verbringe
und in diesen [p]ar einsamen Stunden grauenhafte
Dinge erlebe, so daß ich froh bin, wenn der Tag kommt ٪