Grillparzer, Franz: Brief an Katharina Fröhlich. London, 21.5.1836

fehlte daher auf der Schiffsliste und ich mußte bis zuletzt warten wo man mir, gegen 4 Uhr endlich meine Sachen ausfolgt. Nun hieß er Wohnung suchen in der ungeheuren Stadt. Der Kosthaus­Inhaber an den meine erste Addresse lautete, war ausgezogen und man wußte nicht wohin, das zweite war am Einde der Stadt ich wählte daher die dritte und sitze nun Charlotte Street, Blooms. burg square No 11 bei einer Mad. Williams die die beste Frau von der Welt ist, aber doch nicht machen kann, daß mein Zimmer nicht drrieckig ist, der Wind nicht durch die Fenster zieht, das Mittagmahl miserabel und die Unterhaltung dabei langweilig schmekt. Jedeß mußte ich es in der Noth nehmen, und will gleich nach dem morigen Pfingstrage eine andere Wohnung suchen. So wie ich in Paris die Theater fleißig besuchte und dort zweimal die Hugenotten hörte, die in der zweiten Hälfte wahrhaft vortrefflich sind, so habe ich es bis jetzt auch hier gethan, darunter zweimal Madame Malibran, die wunderliche Weise, nicht in der italienischen Oper, sondern in Drury- Lane englisch singt. Das erstemal war Fidelio wo sie mir auch theilweise gefiel. Sie spielt nämlich mit solich Vorliebe und Anstrengung, daß die Entwicklung der Stimme nicht selten darunter, leidet, und ich für ihren dritten Akt, als Gesang keinen Groschen, dafür gräbt sie aber wie ein wirklicher Taglöhner, und erindtet hierdurch den wüthendsten Beifall. Gestern Somnambula durch englisch. Die Spielwuth wie in Fidelio, aber wie singt sie. Villeicht muß bei Passagen manchmal etwas herhalten was nicht sollte aber im Ganzen bewundernswürdig. So rezitiren konnte man selbst kaum von der Pasta hören. Von den übrigen der Tenor Herr Templeten singt- wie ein Engländer, ein Wiener könnte es resch nennen, aber doch besser als irgend einer in Wien. So auch ein Herr Sanguin, Bari ten mit guter Stimme. Die Chöre ziemlich schlecht. Das Orchester auch nicht besonders. Unterm Hund aber die Nebenpersonen. Ich muß schließen. Mein ganzer Leib schmerzt, denn ich bin täglich 8 Stunden auf den Füßen, und die magern Hauskost restanriet mich nur wenig. Ad an. Grüße den Alle. Grillparzen