Auernheimer, Raoul: Brief an Jenny Auernheimer. Abbazia, 11.4.1915
ihrer auch unter den Zeitungslesern - ein bis-
chen discreditiert. Le journalisme - voilà
l'ennemi, um ein berühmtes Wort zu vari-
ieren. Aber ich hoffe ihn mit der Zeit zu
überwinden, u. die Probe auf den "echten
Auernheimer" wird sein, ob ich imstande
sein werde, ihn zu überwinden. Ich hab's
eben, bei aller scheinbaren Leichtigkeit, schwerer
als mancher andere, der es nur scheinbar schwer
hatte. Und auch das wieder gehört wohl zu meiner
aus vielerlei Paradoxen gemischten, innerlich
zwiespältigen u. eben darum künstlerischen Ver-
anlagung u. Natur.
Indem ich diese Betrachtungen niederschreibe,
bin ich mir ihrer vollkommenen überflüssig-
keit Dir gegenüber bewußt. Wozu mich Dir
erklären? Du kennst mich besser als ich.
Also verzeih meine Unbescheidenheit. Jenes Wort
vom "echten" Auernheimer hat mich nachdenklich
gemacht u. zur Beschäftigung mit mir selbst
gezwungen.
Im übrigen geht es mir gut. Nach den
ersten einsamen Tagen rasch (aber, wie ich
fürchte auch nicht in meinem Wesen) erkannt,
wurde ich gezwungen, aus mir herauszu-
gehen. Eine Dame hatte den hübschen Ein-
fall, dem "liebenswürdigsten deutschen Dichter"
wie sie mich unbekannterweise nannte, ein
Narcissenbukett aufs Zimmer zu schicken,
ein schönes junges Mädchen bestimmte seinen
Vater, sich mir vorzustellen, u. so bin ich
nolens volens der Mittelpunkt der Hôtel
Hall geworden |: was hier nicht allzuviel be-
deuten will :| Bei all dem habe ich mich, was
./. Dir wichtiger sein wird, ausgezeichnet erholt. Ich reise mor-
gen früh u. hoffe Dienstag, spätest. Mittwoch Nachm. bei Dir
zu sein. Aber ich bin es auch schon früher, ich bin es immer. Dein R.