Bauer, Leopold: Brief an Adalbert Franz Seligmann. Wien, 21.11.1916
schaffen, unterstützen. Niemals waren die Kunstbegriffe verwor-
rener als jetzt und besonders auf dem Gebiete der Architektur
herrscht auch bei den sogenannten Gebildeten ein derartiges Un-
verständnis, dass es einem Künstler nicht leicht wird, nur durch
das Beispiel zu wirken. Ein gutes Beispiel geben , soll zwar
nach meiner Meinung immer das Fundament aller Kunsterziehung
und Kunstbeeinflussung bleiben, aber es können viele Jahre darü-
ber vergehen, bis ein Beispiel zur Wirkung kommt. Auch ein Künst-
ler wie Richard Wagner hat dies erkannt und eine energische Pro-
paganda durch das Wort entfaltet. Ich selbst habe oft das Gefühl
es wäre notwendiger und wirksamer , wenn ich schreiben anstatt
zeichnen wollte. Doch muß ich bescheiden genug sein, um mir zu
sagen, dass ich das Wort nicht genügend beherrsche, um mir eine
so schwierige Aufgabe zuzutrauen. Und dann, wo blieben meine
sonstigen Arbeiten, die mir unter den Fingern brennen und für
die mir der Tag zu kurz wird!! – Zu Ihnen, verehrter Professor,
habe ich Vertrauen; Sie werden mir sicher einen guten Rat geben.
Denn jemand, der so wie Sie mit seinem ganzen Temperament für
das Wahre und Echte in der Kunst eintritt, wird auch meine ehrli-
chen Absichten verstehen und so gut als es geht fördern.
Genehmigen Sie den Ausdruck meiner besonderen
Hochachtung
[...] Bauer